Affäre Spitzer - Krimi ohne Verbrechen
Die Heuchelei
gilt als der
Tribut, den das Laster der Tugend
zahlt. Eliot Spitzer hat sich
im Laufe seiner Karriere so viele erbitterte Feinde geschaffen, dass sich manche
jetzt sogar weigern, den Gouverneur des Staates New York als
Heuchler zu bezeichnen: Spitzer habe für die Tugend noch nicht einmal
formalen Respekt übrig gehabt.
Spitzer, der
in seinem früheren Amt als Staatsanwalt Gnadenlos zum Schrecken
der Wall Street und vieler amerikanischer Großunternehmen geworden war, habe sich ganz einfach
eingebildet, er selbst stehe über
dem Gesetz.
Was sich
Spitzer tatsächlich gedacht
hat, weiß allerdings niemand. Klar ist nur,
dass dieses klassische
Drama vom allzu selbstgefälligen Saubermann, der jetzt über
Treffen mit Edelhuren stolpert, noch eine Menge
Material für Psychologen
und künftige Drehbuchautoren
liefern wird. Da Spitzer gegen Gesetze verstoßen hat, für deren Einhaltung
er als
Gouverneur und früherer Generalstaatsanwalt oberste Verantwortung trug, wird ihm selbst
kaum ein anderer Ausweg als der Rücktritt
bleiben.
Aus mitteleuropäischer
Perspektive hat die Affäre
Spitzer auch einen ziemlich befremdlichen Aspekt. New Yorks einst gefürchteter "Mister
Clean" steht vor dem Aus, weil
Prostitution und der Besuch
von Prostituierten in den meisten
Bundesstaaten der USA nicht bloß als
moralische Verfehlung gelten, sondern strafbar sind. Da Spitzer sich in Washington DC mit einer Frau aus New York traf,
wurde womöglich sogar gegen ein
fast 100 Jahre altes Bundesgesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels verstoßen. Weshalb Spitzer auch in eine
Abhörfalle des FBI geriet.
Ganz gleich, was man von Spitzers Wirken an der Wall Street oder seiner persönlichen Moral hält - nach den hierzulande geltenden Maßstäben hätte er kein Verbrechen
begangen.
Aus der
FTD vom 12.03.2008