US-Wahlen - zwischen Thron und Tränen

 

Es ist das große Drama vom Kampf zwischen einem charismatischen Außenseiter und einem scheinbar übermächtigen Favoriten, das sich in den Vorwahlen der amerikanischen Demokraten entfaltet.

 

Nachdem der Underdog Barack Obama in Iowa überraschend triumphiert hatte, hat die schwer angeschlagene Hillary Clinton in New Hampshire doch noch kontern können. Es steht wieder unentschieden, die Spannung bleibt.

 

Clinton ist allerdings nicht irgendeine Favoritin. Ihr drohender Absturz war nicht zu vergleichen mit den demoskopischen Schwächeanfällen im Lager der Republikaner, wo der einstige Topkandidat Rudolph Giuliani inzwischen im freien Fall der Umfragen ist und zum Opfer seiner eigenen Strategie werden könnte, erst spät ins Rennen einzusteigen.

 

Hillary Clinton steht für eine ganze Ära. Für einen ideologischen Ansatz und einen politischen Stil, die bereits Anfang der 90er-Jahre die USA eroberten und die natürlich mit dem Namen Bill Clinton verbunden sind.

 

An die wirtschaftlich guten und außenpolitisch vergleichsweise sorgenfreien Jahre seiner Präsidentschaft erinnern sich viele Wähler gern. Dieser Vorwahlkampf hat deshalb auch eine dynastische Komponente - es geht um die Zukunft des "Hauses Clinton", dessen endgültigen Fall aus der Weltgeschichte viele Konservative regelrecht herbeisehnen und dem viele, vor allem ältere Demokraten, noch immer treu anhängen. Dieser wichtige Faktor wird Hillary Clinton auch dann noch begleiten, wenn sie sich in den nächsten Wochen gegen Obama durchsetzen sollte und das dramatische Ringen zwischen dem jungen schwarzen Mann und der weißen Lady allmählich in Vergessenheit geriete.

 

Hillary Clinton ist und bleibt Teil einer großen Clinton-Saga, die in diesem Wahlkampf ruhmlos enden oder aber durch ein ganz neues Kapitel fortgeschrieben wird. Das bringt ihr gleichermaßen Vorteile und besondere Handicaps.

 

Ihre Bekanntheit, ihre Konzepte, ihr Apparat, ihre Finanzen - alles ist so perfekt für den Wahlkampf, dass alle Welt nur von der "Clinton-Maschine" spricht. Selbst ihr jüngster Auftritt am Rande der Tränen ist da manchen gleich als PR-Trick verdächtig. Womöglich inszeniert, um die weiche Seite der eisernen Kämpferin zu zeigen.

 

Dabei wirkte die Szene zweifellos authentisch. Wer genau hinhörte, musste sich allerdings an etwas anderem stoßen: Es hatte etwas Narzisstisches, wie Clinton das Herz über dem Gedanken zu brechen schien, dass Amerika womöglich leichtfertig die großartige Chance wegwirft, von ihr regiert zu werden. Chronische Egozentrik, Narzissmus, Selbstmitleid - genau das sind die Eigenschaften, die auch Bill Clinton bis heute bei seinen Gegnern so verhasst machen.

 

Aus der FTD vom 10.01.2008