Solarzellen statt Richtmikrofone

 

Deutschland sollte angesichts des NSA-Skandals mehr für die Spionageabwehr tun. Aber eine technische Aufrüstung gegen die Alliierten führt in die Irre. VON MATTHIAS NAS

 

Wäre da nicht die Griechenland-Krise, der Regierung fiele es erheblich schwerer, die NSA-Spähaffäre durch reines Nichtstun herunterzudimmen. Denn von Woche zu Woche erreicht der Skandal größere Dimensionen.

 

War es erst im Oktober 2013 das Handy der Kanzlerin, so wissen wir inzwischen, dass die Telefone des halben Kabinetts abgehört wurden. Und jetzt kommt ans Licht, dass die Spionage beim deutschen Freund bis in die Regierungsjahre Helmut Kohls zurückreicht.

 

Oder länger? Wahrscheinlich haben die Amerikaner schon an der Wiege der Bundesrepublik gelauscht – und damals hätte man am ehesten Verständnis für ihre Neugier gehabt, denn wer konnte schon wissen, was nach der Drachenbrut der Nazis in Deutschland heranwuchs.

 

Aber heute, da die Bundesrepublik längst im Rentenalter ist und sich als stabile Demokratie bewährt hat: Muss die US-Regierung wirklich noch die Regierungstelefone anzapfen lassen, um zu wissen, mit welchen Plänen Berlin in die Gipfel von EU und Nato oder in die TTIP-Verhandlungen geht?

 

Schlimm genug, dass nebenbei auch noch Parlament und Presse ausgeforscht werden. Die Medien wehren sich und berichten umso ausführlicher über die Affäre. Für manche, wie den ehemaligen Chef des Kanzleramtes, Ronald Pofalla, ist das der eigentliche Skandal.

 

Merkel vor dem Ausschuss

 

Das Parlament wiederum hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der seit sechzehn Monaten Zeugen vernimmt, die sich meist an nichts erinnern, und der Akten wälzt, aus denen die Tinte von abertausend geschwärzten Passagen trieft. Und doch arbeiten sich die Abgeordneten unbeirrt in der Zeugenliste von unten nach oben voran, vom kleinen BND-Sachbearbeiter bis hinauf zur Regierungsspitze. Auch Gerhard Schröder und Angela Merkel werden noch Auskunft geben müssen.

 

Und was tut die Regierung, außer die vom Ausschuss angeforderten Dokumente zu schwärzen? Wahrscheinlich sähe sie das Thema am liebsten irgendwo zwischen den griechischen Inseln im Mittelmeer versinken. Doch so leicht wird sie es nicht los.

 

Die Mahnungen der Kanzlerin "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht" – "Auf deutschem Boden muss deutsches Recht gelten" haben in Washington nur Achselzucken ausgelöst. So gehe es eben zu in der Welt, heißt es. Die Deutschen sollten nicht naiver tun, als sie seien, und sie seien schon naiv genug.

 

Nur, was ist daran naiv, auf das Ausspähen engster Freunde und Partner zu verzichten? Liegt dem nicht eine sehr vernünftige Kosten-Nutzen-Rechnung zugrunde? Welche Einsichten haben die Amerikaner denn durch ihr Spionieren in Deutschland gewonnen? Und wie viel Vertrauen haben sie in den vergangenen zwei Jahren verspielt? Man könnte zu dem Ergebnis kommen: Es lohnt sich nicht.

 

Jedenfalls schützt man sich vor terroristischer Gefahr, vor grenzüberschreitender Kriminalität oder vor russischen und chinesischen Hackern am besten gemeinsam. Weltmacht-Attitüde hilft nicht weiter, die da sagt: Im Zweifel braucht Ihr uns mehr, als wir Euch brauchen; also macht bitte nicht einen solchen Lärm.

 

Wanzen gegen Verbündete?

 

Natürlich wird jetzt in Berlin, weil Amerika eines Besseren eben nicht zu belehren sei, der große Sprung vorwärts bei der Spionageabwehr verlangt. Daran ist so viel richtig, dass abhörsichere Telefonleitungen und Videoverbindungen eine höchst vernünftige Investition zur Abwehr tatsächlicher Gefahren sind. Aber aufrüsten gegen Alliierte? Mit Wanzen, Antennen und Richtmikrofonen? Sehr smart klingt das nicht.

 

Was in Peking oder in Moskau sinnvoll sein mag, ist in Berlin oder Paris eine Zumutung: Diplomatische Vertretungen mit notdürftig verkleideter Abhörelektronik auf den Dächern. Das Auswärtige Amt sollte NSA-Direktor Michael Rogers einmal eine Führung durch die Deutsche Botschaft in Washington anbieten. Dort stehen keine Antennen und Mikrofone auf dem Dach, sondernSolarzellen.

 

Vielleicht würde der NSA-Chef lachen: Wenn schon naiv, dann bitte ökologisch! Aber wer sich umhört, stellt schnell fest, dass die Deutschen in Washington politisch nicht so schlecht dastehen. Besser jedenfalls als die Amerikaner in Berlin.