Der BND pfeift auf seine Datenschutzbeauftragte

 

Vor dem NSA-Ausschuss berichtet die Datenschutzbeauftragte des Auslandsgeheimdienstes von Streit mit ihrem Chef Gerhard Schindler. Gehör fand sie nicht.

 

VON LISA CASPARI

 

9. Oktober 2014

 

Für eine Volljuristin hat Frau Dr. H. F. einen durchaus ungewöhnlichen Job. Seit neun Jahren ist sie tätig für den Bundesnachrichtendienst, seit zweieinhalb Jahren als Datenschutzbeauftragte des Auslandsgeheimdienstes. Sie ist Präsident Gerhard Schindler direkt unterstellt. Dienstort ist Berlin.

 

Mehr Persönliches, zum Beispiel ihren vollen Namen, erfahren die Abgeordneten des NSA-Ausschusses nicht von Frau F. – so wollen es die Vorgaben ihres Arbeitgebers. Dennoch ist die Aussage der Geheimdienstmitarbeiterin am Donnerstag vor dem parlamentarischen Untersuchungsgremium durchaus interessant. Weil sie offenbart, wie wenig ernst der Auslandsgeheimdienst viele Jahre lang das Thema Datenschutz nahm – und bis heute nimmt.

 

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Als Frau F. 2012 Datenschutzbeauftragte des BND wurde, sei die Abteilung bereits lange führungslos gewesen, berichtet sie den NSA-Aufklärern. Sie selbst sei "technisch nicht vorgebildet", habe nur juristisches Wissen mitgebracht. Im Umgang mit den vielen Daten, die der Auslandsgeheimdienst so sammle, müsse sie sich bis heute auf die technische Expertise der Geheimdienstler verlassen. In der Regel lasse sie sich die Datenbank vorführen und stelle Fragen dazu. Ob hier eine wirkliche Kontrolle stattfinden kann, sei dahin gestellt.

 

Wo greift das BND-Gesetz?

 

Wie sich in der Zeugenvernehmung außerdem herausstellt, ist die Datenschutzbeauftragte für die brisanten Themen überhaupt nicht zuständig. So kümmert sich ein eigener Hausjurist um alle Daten, die die grundrechtlich geschützte Telekommunikation zwischen Deutschen betreffen und um die rechtlich heiklen Fragen rund um deren Auswertung, Speicherung und Weitergabe nach dem G10-Gesetz.

 

Zu vielen Geheimdienstaktivitäten, die die NSA-Aufklärer interessieren, kann Frau F. nichts sagen: Von den angezapften Glasfaserkabeln hat sie angeblich nur in der Zeitung gelesen, über den Umgang mit Kommunikationsdaten am Knotenpunkt Frankfurt und den Fall Eikonal kann sie auch nichts berichten. Letzterer habe sich ja wohl vor ihrer Zeit zugetragen, sagt sie.

 

"Bestimmte Bereiche der Informationsverfassung werden Ihnen vorenthalten", fasst die Obfrau der Linken, Martina Renner, die Situation zusammen. Der für die brisanten Dinge zuständige G10-Jurist im BND sei eben nicht weisungsunabhängig wie die Datenschutzbeauftragte, bemerkt Renner. Der Mann, ein Herr A. F., sollte am Abend in nicht öffentlicher Sitzung aussagen.

 

Dort wo sie zuständig ist, beweist die Datenschutzbeauftragte allerdings ihren eigenen Kopf. So berichtet sie freimütig über einen Streit mit ihrem Chef, BND-Präsident Schindler.

 

Es geht um den BND-Standort Bad Aibling, an dem die deutschen Geheimdienstler Satellitendaten aus dem Ausland erfassen und auswerten. Zum Beispiel Telefongespräche in Afghanistan und Pakistan. Auf dem Gelände in Bad Aibling sind auch Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes NSA stationiert.

 

BND-Präsident Schindler sieht die Satellitendaten seines Geheimdienstes nach Schilderung von F. im weitgehend rechtsfreien Raumdenn sie seien ja im Weltall erhoben, in dem keine deutschen Gesetze griffen. "Meiner Meinung nach werden die Daten in Bad-Aibling erfasst und damit im Geltungsbereich des BND-Gesetzes", sagt F. vor dem NSA-Ausschuss. Daher müssten ihrer Meinung nach auch für afghanische Telefongespräche die strengeren deutschen Daten- und Kommunikationsschutzbestimmungen gelten. Das bedeute, dass die geheimdienstlich ermittelten Daten von Ausländern nicht so einfach an "ausländische Stellen" weitergegeben werden könnten. "Laut BND-Gesetz hat eine Übermittlung zu unterbleiben, wenn auswärtige Belange der BRD oder schutzwürdige Interessen betroffen sind", sagt F. 

 

Der SPD-Obmann im Ausschuss, Christian Flisek, fasste zusammen: Die Leitung des BND wolle sich die Weitergabe der Ausland-Ausland-Kommunikation an andere Dienste offenbar so einfach wie möglich machen und beharre daher auf seiner Rechtsauffassung, die deutschen Gesetze seien nicht berührt.

 

Schon zu Beginn des NSA-Auschusses hatten Verfassungsrechtler Bedenken angemeldet, was die rechtliche Grundlage für die Behandlung der abgefangenen Satellitendaten in Bad Aibling betraf. Die Datenschutzbeauftragte berichtete dem Ausschuss von einer "intensiven rechtlichen Diskussion" auf Leitungsebene des BND, bei der sie "leider überstimmt worden" sei. Sie habe eben nur eine "Beratungsfunktion" inne.

 

Immerhin geht F. davon aus, dass der BND sich auch ohne eine gesetzliche Einschränkung beim Umgang mit Daten, zum Beispiel aus afghanischen Telefongesprächen, an "bestimmte Standards" halte. Diese seien  "Schutz der Menschenwürde, Willkürverbot und Verhältnismäßigkeit".

 

Bis der Speicher volllief

 

Rund 25 Datenbanken mit Geheimdienstinformationen betreut Frau F. nach eigener Angabe beim BND. Ihre Aufgabe sei es, sicherzustellen, dass sie den Datenschutzgesetzen entsprechenvor allem in der BND-Abteilung Technische Aufklärung seien ihr aber Mängel aufgefallen. So seien bei ihrem Amtsantritt zwei Datenbanken mit Personendaten nicht, wie rechtlich vorgesehen, vom Bundesdatenschutzbeauftragten geprüft und dann vom Kanzleramt genehmigt worden – und das obwohl sie seit Jahren in Betrieb seien.

 

Darunter sei die Datenbank INBE, die Informationen über deutsche Staatsbürger enthalte. "Man speicherte so lange, bis der Speicher volllief", sagte F. Glücklicherweise habe dies meistens nur zwölf Monate lang funktioniert und der Gesetzgeber erlaube bis zu 24 Monate Speicherfrist. 

 

Diskussionen führe die Datenschutzbeauftragte noch mit der Abteilung Technische Aufklärung und der Bundesbeauftragten für Datenschutz über die Datenbank VERAS, in der zum Großteil Verbindungen zwischen ausländischen Personen erfasst würden: "Mit wem hat Terrorist X telefoniert in den letzten zwei Wochen?" Sie befürchte, dass hier eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung durchgeführt werde, das sei nicht vereinbar mit deutschen Gesetzen, sagte F.