Die Reichen kommen davon

 

Der Kompromiss im US-Schuldenstreit wird die ökonomische Krise in den USA verschärfen. Mit Ausgabenkürzungen allein ist die Misere nicht zu lösen, kommentiert F. Lindner.

 

VON: Fabian Lindner 1.8.2011

 

Im letzten Moment hat die US-Politik verhindert, dass der Regierung in Washington morgen das Geld fehlt, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Die USA sind damit nur knapp den Verhältnissen einer Bananenrepublik entkommen.

 

Der gefundene Kompromiss ist eine herbe Niederlage für Barack Obama und schadet der amerikanischen Wirtschaft. Denn der US-Präsident hat so gut wie alle Forderungen der Republikaner übernommen: Trotz Rekorddefizit wird es keine Steuererhöhungen geben, zur Konsolidierung des Haushalts werden nur Ausgaben gekürzt.

 

Steuererhöhungen für die Gutverdienenden und Reichen würden die Wirtschaft nicht so stark treffen, da sie große Teile ihres Einkommens sowieso nicht verkonsumieren, sondern sparen. Die Wohlhabenden werden jedoch vollkommen aus der Verantwortung für die nach der Finanzkrise stark angestiegene US-Schuld genommen. Stattdessen sind deutliche Einschnitte bei den staatlichen Sozialleistungen geplant. Die Einkommensschere wird sich in den USA so weiter öffnen.

 

Die Republikaner können diesen Kompromiss als einen Sieg auf ganzer Linie feiern: Sie haben Durchsetzungskraft bewiesen und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Obama aufgrund der stagnierenden Wirtschaft und der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit 2012 nicht wiedergewählt wird. Zu guter Letzt wurde dem von ihnen so verhassten US-Wohlfahrtsstaat ein herber Schlag versetzt.

 

Der Kompromiss ist aber auch ein Ergebnis von Obamas Taktik, sich als der Versöhner der amerikanischen Politik zu zelebrieren. Er will ein Präsident sein, der durch Kompromisse die Gräben zwischen den Demokraten und den Republikaner überwindet. Letztendlich spielt Obama damit aber nur dem politischen Gegner in die Hände.

 

Den Republikanernunter ihnen vor allem der mächtigen Tea-Party-Bewegungist jedes Mittel recht, die Präsidentschaft des angeblichen Sozialisten Obama so schnell wie möglich zu beenden. Mit ihnen sind keine vernünftigen Kompromisse möglich. Sie wollen in Wahrheit nicht die Schulden reduzieren, sondern den amerikanischen Wohlfahrtsstaat abschaffen, wie ihn Roosevelt in den 30er Jahren mit dem New Deal und Präsident Johnson mit der Great Society in den 60er Jahren aufgebaut haben.

 

Seit Ronald Reagan ist die Schulden- und Defizitreduktion unter republikanischer Präsidentschaft immer nur ein Lippenbekenntnis gewesen. In der praktischen Politik hat sie nie eine Rolle gespielt. Die Steuern wurden unter Reagan und Bush Junior radikal gesenkt, die Ausgaben besonders für das Militär aber kräftig gesteigert.

 

Weniger Einnahmen und mehr Ausgaben haben zu wachsenden Defiziten geführt. Dass sich Steuersenkungen durch höheres Wachstum selbst finanzieren, hat sich längst als konservative Mär herausgestellt.

 

Die republikanischen Regierungen, die vor Obama an der Macht waren, tragen deshalb die Hauptverantwortung für die gestiegene Schuldenlast. Durch ihre Steuersenkungen entgingen dem Staat notwendige Einnahmen. Unter Ronald Reagan ist die Schuldenquote (staatliche Schulden in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) um 33 Prozentpunkte gestiegen, unter George Bush Junior um 28 Prozentpunkte. Die fehlenden Einnahmen wurden dann immer als Grund genannt, den Wohlfahrtsstaat weiter zurückzuführen.

 

Obama hätte sich dem Druck der Republikaner nicht beugen müssen. Es gab rechtlich durchaus die Möglichkeit, die Schuldengrenze per Dekret des Präsidenten zu erhöhen. Die Republikaner hätten dagegen vor dem Verfassungsgericht klagen müssen, aber Obama hätte Zeit gewonnen. Zeit, den US-Bürgern zu beweisen, dass er sich und das Land nicht in Geiselhaft nehmen lässt. Zudem hätte Obama schon früher und stärker deutlich machen müssen, welche Ziele die Republikaner in Wahrheit verfolgen, für welche Politik sie kämpfen. Aber seine sich selbst auferlegte Rolle des Versöhners hat dies verhindert.

 

Sollten Senat und Repräsentantenhaus dem Kompromiss in den kommenden Tagen zustimmen, ist die Zahlungskrise der USA vorerst abgewendet. Der politische Preis, den Obama dafür zahlen muss, ist jedoch hoch. Die Einigung verschärft die ökonomische Krise der USA. Mehr noch: Das Vertrauen in die Regierbarkeit der Weltmacht USA ist stark erschüttert.