Die USA riskieren eine neue Finanzkrise
Die USA müssen
ihre Schuldenobergrenze anheben, um weiter Rechnungen zu begleichen.
Doch Republikaner und Demokraten sind zerstritten. Ist Obama bald zahlungsunfähig?
Christoph von Marschall
10.7.2011
Die Uhr
tickt unerbittlich. Wenn das Parlament nicht
handelt, dürfen die USA in drei Wochen nicht
mehr alle Rechnungen bezahlen. Die Regierung muss dann entscheiden, ob sie Zinsen und Tilgung für ihre Schulden
verweigert oder die Renten nicht mehr
auszahlt oder Bedienstete in den Zwangsurlaub schickt. Die Börsen würden wohl mit
einem Schock reagieren. Die ganze Welt bekäme die Folgen zu spüren. Noch
nie hat die größte Volkswirtschaft der Erde ihre Zahlungsunfähigkeit
erklären müssen.
Der Kongress kann das
verhindern.
Demokraten und Republikaner
müssten sich einigen, die Schuldenobergrenze anzuheben und der Regierung zu erlauben,
weitere Kredite aufzunehmen. Doch beide Lager stellen
dafür Bedingungen. Die
Republikaner fordern: sparen, sparen, sparen und keine Steuererhöhungen. Die Demokraten sagen: keine Kürzung
der Sozialleistungen und höhere Steuern für die Reichen. Eine Einigung ist noch
nicht in Sicht. Was am Freitag besprochen
war, galt am Sonntag nicht mehr.
Das ist das
Erschreckende am Sommertheater
2011 in den USA. Man kann nicht
mehr wie selbstverständlich erwarten, dass die Politiker das Selbstverständliche tun. Sehen sie
nicht, welches Unheil sie heraufbeschwören?
Vom Ausland gesehen wirkt das rücksichtslos.
Republikaner und Demokraten
beharren auf ideologischen Maximalpositionen und riskieren damit, die halbe Welt in eine neue Finanzkrise
zu stürzen.
Bei
näherem Hinsehen haben freilich beide Seiten auch
gute Argumente für ihre harte
Haltung.
Vor der Mitverantwortung
für die Welt rangiert die Verantwortung für das eigene Land. Die USA müssen sparen – nicht ein bisschen,
sondern richtig viel. Da haben die Republikaner recht. Ein Drittel der laufenden
Ausgaben wird jetzt aus neuen
Krediten finanziert.
Die Gesamtverschuldung hat 14,3
Billionen Dollar erreicht, das sind hundert
Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Der Hauptgrund: Die Steuereinnahmen
sind in der Finanzkrise dramatisch eingebrochen.
Es wäre jedoch eine
Illusion, dass man nur auf
den Aufschwung warten müsse und dann laufe alles wie
zuvor. Amerika wird Jahre brauchen,
um aus der Krise zu kommen.
Deshalb sind neben dem Sparen
höhere Einnahmen nötig, um das Budget auszugleichen – die Streichung
von Abschreibungsmöglichkeiten und höhere Steuersätze für die Reichsten. Da haben die Demokraten recht.
Höchstwahrscheinlich werden sich
Republikaner und Demokraten
am Ende einigen. Aber sicher ist das
nicht. Es bleibt ein Restrisiko, dass die Ideologie über die Verantwortung triumphiert.