Apo auf Amerikanisch

 

Josef Joffe: Obamas Problem ist nicht die Tea Party, sondern eine Parteifreundin.

 

8.10.2010'

 

Amerika istwie immeranders, und deshalb wird die Kongresswahl in knapp vier Wochen tatsächlich "spannend": Kippt die Obama-Revolution, oder wird sie bestätigt?

 

Im deutschen Mehrparteiensystem, mit seinem Hang und Zwang zur Beharrung, dreht sich das Steuer nur ein paar Grad nach links oder rechts. Mag sein, dass in der SPD neun von zehn Mitgliedern Sarrazin irgendwie schätzen. Doch was die Partei will, entscheidet nicht das Parteivolk. Ganz anders in Amerika, wo die Parteien zwischen "schwach" und "anarchisch" rangieren und das Volk das Unterhaus (und ein Drittel des Senats) alle zwei Jahre neu wählt.

 

Deshalb schlägt der "Populismus" – vornehmer: die "außerparlamentarische Opposition" – schneller auf die Parteien durch, und dies seit 223 Jahren. Die jüngste Apo ist die Tea Party, eine Bewegung von Wertkonservativen und Anti-Etatisten, die dabei ist, die Republikanische Partei zu erobern. Die Tea Party ist genauso wenig ein Haufen von Protofaschisten wie Die Linke ein Verein von Postbolschewisten. Beide repräsentieren populistische Strömungen, aber mit einem Unterschied: Die Tea Party ist fast drinnen, Die Linke bleibt draußen. Und die Rechte sowieso.

 

Wie weit die Strömung am 2. November trägt? Schon heute unterspült sie das Herrschaftsfundament der Demokraten. Obama wird wohl die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren, womöglich auch die im Senatnicht nur wegen der Tea Party. Emblematisch ist jene Velma Hart, eine schwarze Frau, die Obama in einer Bürgerversammlung wie folgt konfrontierte: "Ich bin Mutter und Ehefrau, eine typische Mittelschicht-Amerikanerin. Und ich bin erschöpft davon, Sie, Ihre Regierung und den change, für den ich gestimmt habe, zu verteidigen." Sie sei "zutiefst enttäuscht". Mrs. Hart (800.000 Einträge bei Google) ist die Ikone der Wahl 2010.

 

Diese Frau ist Obamas Problem – mithin auch die eigene Partei, deren moderate Kandidaten die Wahlkampfhilfe des Präsidenten ablehnen, deren Linksausleger ihn des Verrats an der Revolution zeihen oder wie sein Stabschef Rahm Emanuel nach Chicago flüchten, um Bürgermeister zu werden. "Makropolitisch" lautet das Problem: 45 Prozent Zustimmung für Obama. Die Erfahrung flüstert: Bleibt ein Präsident unter 50 Prozent, verliert seine Partei heftig, zumal wenn sie die Mehrheit in beiden Häusern hält. Denn: Wer mehr hat, hat auch mehr zu verlieren.

 

In Deutschland muss sich die Kanzlerin vor der Spontan-Opposition nicht fürchten; die "Konterrevolution" läuft in den Gazetten und Talkshows ab. In Amerika aber fließt die Enttäuschung über die Arbeitslosigkeit und die kommende Steuererhöhung direkt in den politischen Prozess.

 

Die Umdrehungsgeschwindigkeit ist schneller, die Umsetzung auch. Es gilt die Wette, dass Obama im nächsten Jahr wieder change predigen wird, diesmal aber nach rechts. Es gilt zudem die alte amerikanische Weisheit: "24 Stunden sind eine Ewigkeit in der Politik." Bill Clintons Demokraten haben 1994, im Jahr zwei seiner ersten Amtszeit, beide Häuser verloren. Aus der Präsidentschaftswahl 1996 ging er als strahlender Sieger hervor.