Abschied vom Kuschel-Bündnis

 

In den USA Obama, in der EU der Lissabon-Vertrag: Das müsste ein gutes Omen sein für die transatlantischen Beziehungen. Das Gegenteil ist der Fall.

 

Im kommenden Monat will die Kanzlerin ihre Teilnahme am Washingtoner Gipfeltreffen über bessere nukleare Sicherheit nutzen, um in Amerika Deutschland als treuen atlantischen Partner präsentieren. Es ist ein Vorhaben, das dringlicher ist, als mancher in Berlin glaubt. Denn in den USA wachsen ungeduldige Zweifel daran, ob die Verbündeten in Europa, Deutschland eingeschlossen, angesichts der Herausforderungen, vor denen die USA sich sehen, überhaupt noch verlässliche Partner sind.

 

US-Verteidigungsminister Gates hat der Ungeduld kürzlich Luft gemacht: "Große Teile der Öffentlichkeit wie der politischen Klasse Europas verabscheuen den Einsatz militärischer Gewalt und die Risiken, die damit verbunden sind. Was im 20. Jahrhundert ein Segen gewesen wäre, ist zu einem Hindernis dabei geworden, Sicherheit und dauerhaften Frieden im 21. Jahrhundert zu erreichen."  Aber auch jenseits der Frage militärischer Unterstützung erscheint für viele Amerikaner die EU wie ein auf sich selbst bezogener Verein, hinter dessen Handlungsunfähigkeit die Mitgliedstaaten ihren Handlungsunwillen verstecken.

 

Die Europäer präsentieren sich zwar gern als wichtiger internationaler Akteur, schaffen es aber kaum, überzeugend gemeinsam aufzutreten. Daran hat der Lissabon-Vertrag nichts geändert. Noch immer tut jeder der 27 EU-Staaten so, als sei er in der Außenpolitik selbstherrlich, und jeder für sich, auch die Bundesrepublik, wiegt sich in der Illusion, zu den USA in einem einzigartigen Verhältnis zu stehen.

 

Das mag, paradoxerweise, im Washington von George W. Bush hingereicht haben, der nach dem Fehlschlag seiner internationalen Abenteuer die Gunst und Unterstützung europäischer Partner zurückgewinnen wollte. Transatlantisches Süßholzraspeln seitens der Europäer kam damals noch einigermaßen gut an, und es taugt immer noch, um  wie es Merkel im letztem November  erfuhrim Kongress mit stehenden Ovationen gefeiert zu werden. Eine tragfähige Basis für künftige transatlantische Partnerschaft erwächst daraus nicht.

 

Zwar ist richtig: in der Globalisierung zahlen sich funktionierende Partnerschaften erst recht aus. Ihr Kitt ist jedoch nicht Nostalgie für früher, sondern Nutzen für heute. Präsident Obama ist weder von der einst verbindenden Erfahrung des Kalten Krieges geprägt, noch von einer atlantischen Ideologie. Er denkt, was Partnerschaften anlangt, global und misst sie danach, ob sie Amerika etwas bringen oder nicht.

 

Europäische Staatslenker, die lediglich gemeinsame Werte beschwören, ernten in den USA vielleicht Ovationen, aber keinen Respekt. Deswegen sollten jene, die zurzeit Merkels Amerika-Reise vorbereiten, einen Rat ernst nehmen, den eine jüngst erschienene Studie des Thinktanks European Council on Foreign Relation unter dem provozierenden Titel Towards a post-Amercan Europe europäischen Regierungen erteilt: "Die EU-Staaten haben bisher nicht vermocht, die Einstellungen, Verhaltensweisen und Strategien abzuschütteln, die sie während der Jahrzehnte amerikanischer Hegemonie entwickelt haben. Dieses Europa verliert für die USA rapide an Interesse."

 

Das Interesse behalten kann Europa, wenn es nicht nur, wie bisher, amerikanische Vorhaben halbherzig mitträgt, sondern zu den wichtigen internationalen Fragen eine eigene, gemeinsame Position erarbeitet und dafür auch die Kosten zu tragen bereit ist. Dafür wird nicht nur in den USA so etwas wie deutsches Führungsengagement erwartet.



 

Bisher allerdings hat die Kanzlerin solche Erwartungen enttäuscht. Sie hat damit die amerikanische Ungeduld mit Europa verstärkt. Mit atlantischer Folklore, das sollte sie bei ihrem bevorstehenden Besuch bedenken, bereitet sie nur weiterer Entfremdung den Weg. Und sie darf nie vergessen, dass Deutschland und Europa größeren Bedarf daran haben, von Amerika als Partner respektiert zu werden, als umgekehrt.