Kultureller Imperialismus in 'Avatar'
Josef
Joffe setzt sich die 3-D-Brille auf und sieht
unterschwelligen Rassismus.
Die Kindheit
kehrt zurück. Eine reale Mrs. Robinson, Vorname Iris, verführt wie in der Reifeprüfung
vor 43 Jahren einen 19-Jährigen, begeht aber anders als
Anne Bancroft im Film allerlei
Unterschleif und treibt so ihren Mann, den nordirischen Regierungschef, in die Demission. Der
3-D-Blockbuster Avatar, der wohl
Titanic als größten Kassenschlager aller Zeiten verdrängen wird, erinnert an unsere frühen Helden
Tarzan und Winnetou.
Die Geschichte ist uralt.
Sie handelt vom »edlen
Wilden«, den schon Dryden
und Pope, Diderot und Rousseau kannten. Er ist
gut, schön und unverdorben;
unsere Zivilisation ist korrupt, grausam
und gierig. Tarzan lebt unter Dschungeltieren, die eigentlich die besseren Menschen sind.
Winnetou ist
der Apachen-Ritter im Lendenschurz, der von weißen Untermenschen gemeuchelt wird.
In Avatar sind
die Edlen die »Blauen«, die
auf dem Planeten Pandora in
Harmonie mit der Natur leben
und diese als Gottheit verehren, weshalb das Vatikan-Blatt Osservatore Romano den Film pikiert
gerügt hat – zu viel unchristlicher Pantheismus. Die Bösen sind die geldgeile
Corporation und der durchgeknallte
Marine-Colonel (wie im
Vietnam-Epos Apocalypse Now), die mit ihren Overkill-Maschinen die Blauen zu vernichten
suchen. Denn die wollen partout nicht
von dem Baum weichen, der das kostbare »Unobtainium« (»Nichtzukriegium«) enthält. »Blut für Öl«…
Die fast perfekte
Computer-Animation wird den Film so revolutionieren wie einst Ton und Farbe. Die Botschaft ist
absolut korrekt: wider Rassismus, Militarismus, Kapitalismus, für Natur- und Kulturenschutz. Und verlogen. Schon Thomas Hobbes hat das Leben im Naturzustand
als »gemein, hässlich und kurz« gegeißelt. Die Indianer waren keineswegs friedlich und nobel;
die Grausamkeit der Apachen im Krieg gegen andere Stämme
war legendär. Tarzans Dschungel
war kein anheimelnder Ort;
die Natur, wo
einer den anderen frisst, ist grundsätzlich
kein Hort von Sitte und Anstand.
Aber
das Verlogene geht tiefer, wie David Brooks in der New York Times anmerkt. Genauso wie
Tarzan und Old Shatterhand ist
der Blauen-Retter Jake
Sully ein weißer Mann, ein »weißer Messias«
aus einer technorationalistischen Zivilisation,
der die Eingeborenen zum Sieg führt.
Sie brauchen ihn und seine Instrumente (siehe »Henry-Stutzen«), um gegen die Bösen zu kämpfen. Edgar Rice Burroughs
und Karl May schrieben in einer
Ära, in der die »Überlegenheit des weißen Mannes« eisernes Dogma war. Der überkorrekte Avatar- Regisseur
James Cameron ist in die gleiche Falle getappt.
Auch Jake Sully ist
ein Kultur-Imperialist, bloß ein guter,
ohne den die Blauen verloren wären. Danke, Bwana.
So tief
wie das teure Metall schlummert in diesem Film eine herablassende, ja
rassistische Botschaft. Cameron verbeugt sich
vor den edlen Wilden und reduziert sie doch zu
Abhängigen. Tarzan und Old Shatterhand kehrten konsequenterweise in ihre »höhere« Zivilisation zurück, aber Jake Sully kommt garantiert wieder. Er und seine Prinzessin mit den wunderschönen gelben Augen haben schon
400 Millionen Dollar eingespielt.
Mit den
Sequels lässt sich im Kapitalismus mehr Geld machen als mit »Unobtainium«
aus Pandora.