Das Debakel der US-Republikaner
Von Martin Klingst, Washington D.C.
Amerika hat keine richtige
Opposition mehr. Die politische Rechte
ist in einem
desolaten Zustand
Das hat Barack Obama nicht verdient – und für das Land ist
es sogar schädlich: Der neue Präsident regiert ohne Opposition. Natürlich sind
die Republikaner, wenn auch in gestutzter Zahl, immer noch
da. Sie sind auch nicht verstummt. Im Gegenteil, irgendeiner
von ihnen meldet sich ständig zu
Wort. Aber diejenigen, die im Augenblick viel reden, sind
nicht wichtig. Und was sie zu sagen
haben, ist
noch unwichtiger.
Es ist auch nicht so, dass Obama durchregieren könnte. Stets muss er den einen oder anderen Republikaner auf seine Seite ziehen. Doch es fehlt das intellektuelle, das inhaltliche Gegengewicht.
Die Partei
Abraham Lincolns ist völlig von der Rolle. Und das in einer Zeit, da die Regierung Billionen von Dollar ausgibt, so viel Geld wie noch
keine andere Regierung zuvor. Ausgerechnet in einer Zeit, da Amerika völlig
umgekrempelt wird – von der Gesundheitsversorgung bis zur Außenpolitik. So notwendig
waren Kontrolleure, also eine kräftige Opposition, selten.
Wo sind die neuen Reagans und McCains? Personell und inhaltlich schaut man derzeit in ein großes, tiefes
Loch. Einen kurzen Moment lang waren
die Republikaner zwar unglaublich stolz. Nachdem die Demokraten mit einem schwarzen
Kandidaten die Präsidentschaftswahl
gewonnen hatten, konnten sie wenigstens
mit einem Schwarzen als
neuem Parteivorsitzenden aufwarten. Das war immerhin ein kleiner Coup, wenn auch reichlich
verspätet für die Sklavenbefreier-Partei.
Nur haben es
die Republikaner leider versäumt, sich ihren neuen Vorturner
zuvor genauer anzuschauen. Dann hätten sie vielleicht festgestellt, dass der nicht
das Zeug für diesen Job hat. Jetzt haben sie den Salat.
Mr. Steele redet sich derart um Kopf und Kragen, dass er einem
schon fast wieder Leid tut. Er beschäftigt
die Comedyshows wie weiland Sarah Palin.
Inhaltlich herrscht auch Chaos. Seit der herben
Wahlschlappe am 4. November wissen
die Konservativen nicht mehr, was sie denken
sollen. Das liegt vor allem daran,
dass sie selber nicht mehr
wissen, wer sie sind.
Die einen wollen am Liebsten genauso weitermachen wie vor dem 4. November – nur ohne Bush. Die anderen wollen die Partei komplett verändern, für Minderheiten öffnen, sozialer ausrichten, mitfühlender machen. Sie wünschen sich
sozusagen die Republikaner als "Democrats light".
Letztere sind
in der Minderheit und sie werden, solange
es die Obama-Demokraten und
die Obama-Republikaner gibt,
keinen Boden gewinnen. Aber weitermachen wie bisher ist
auch keine Alternative. Die
Wähler mögen zwar ein kurzes
Gedächtnis haben. Aber so kurz ist es wiederum
nicht, dass sie vergessen könnten,
wer ihnen die Wirtschaftskrise, Krieg und Folter
und den schlechten Ruf im Ausland beschert
hat. Die Republikaner!
Es ist ja nicht
so, dass ganz Amerika im Obama-Rausch steckt. Längst nicht alle empfinden
den Geldregen als
die große Rettung. Nicht einmal alle, die sich darunter stellen.
Viele haben durchaus Bedenken. Sie fragen, ob Amerika Dank dieses Regens tatsächlich eine reiche Ernte
einfahren wird oder ob die Dollar nicht eher im
trockenen Boden versickern.
Doch das sture Nein der Republikaner zum Konjunkturprogramm ist auch
keine Alternative. Wie sollte es auch
in einer Zeit, da viele Menschen um ihren Job bangen und nicht wissen, wie
sie die nächste Hypothek oder
Arztrechnung bezahlen sollen. Da wirkt
es schon sehr verbohrt und herzlos, wenn der
konservative Gouverneur von
South Carolina aus ideologischen
Gründen Geld aus dem Sanierungsprogramm Obamas ablehnt, obwohl sein Staat
jeden Cent etwa für die Renovierung seiner maroden Schulen gebrauchen könnte.
Wie schlecht es derzeit um die Republikaner steht, ist nicht
nur am Stimmungsbarometer
und an Wahlen abzulesen. Vor kurzem ging ihnen
bei einer Nachwahl ein eigentlich
bombensicherer Wahlkreis im Staat New York verloren. Ein republikanischer Senator wechselte jüngst die Seiten. Und soeben melden die Meinungsforscher, nur noch 31 Prozent
der Amerikaner sehen sich als Republikaner, vor ein paar
Wochen waren es noch 37 Prozent.
Nein, das Debakel
der politischen Rechten zeigt sich
vor allem daran, dass sie
so tun, als
habe es die vergangenen acht Bush-Jahre mit ihren
verheerenden Fehlern und Fehleinschätzungen nicht gegeben. Und dass wieder die ideologischen Scharfmacher die Oberhand gewinnen,
die Cheneys und Limbaughs
und Roves. Ausgerechnet Ex-Vizepräsident Dick Cheney wird zur republikanischen
Speerspitze gegen Obama.
Der Finsterling, der lieber schweigen
sollte, pilgert von Talkshow zu Talkshow
und wütet gegen das Konjunkturprogramm, gegen die Veröffentlichung der Foltermemoranden, gegen die diplomatischen Offerten gegenüber Iran.
Natürlich, irgendwann werden sich die Republikaner wieder berappeln. Irgendwann werden die Cheneys & Co verschwinden und neue, bessere Leute auftauchen.
Aber irgendwann ist nicht
heute – und heute brauchen Obama und Amerika dringend eine intelligente,
schlagfertige Opposition.