In wenigen Wochen jährt sich
zum 19. Mal jene Nacht, in der die Mauer fiel und der Kalte Krieg zu Ende ging.
Die USA standen in den Jahren
danach allein auf dem Gipfel globaler
Macht. Ein neues, amerikanisches Jahrhundert zeichnete sich damals ab,
bestimmt und gestaltet allein von der Weltmacht USA.
Heute, nur 19 Jahre
später, sind wir Zeugen des Niedergangs amerikanischer Macht. Dieser Niedergang
lässt sich im Wesentlichen auf eine Mischung aus
Hochmut und Blindheit der handelnden Akteure in den USA zurückführen.
Als einstweiliger Höhepunkt dieses Machtzerfalls erweist sich gegenwärtig
die schwere Krise des amerikanischen Finanzsystems, die
sich in ihrem Ausmaß nur noch
mit der Weltwirtschaftskrise
von 1929 vergleichen lässt.
Staat und Bürger der USA lebten seit längerer Zeit schon auf Pump, angetrieben von einer Politik des billigen Geldes seitens der Zentralbank.
Irgendwann musste die Anpassung an die harte ökonomische Realität jedoch kommen.
Zudem war mittels sogenannter „neuer Finanzinstrumente“ eine
Schattenwirtschaft im Banken- und Finanzsystem geschaffen worden, welche die existierenden Kontrollen und gesetzlichen Beschränkungen erfolgreich außer Kraft setzte. Die Märkte hatten sich
verselbstständigt und die ungezügelte
Herrschaft der Gier erwies sich,
nicht zum ersten Mal in der Geschichte des Kapitalismus, als
ein Programm zur Selbstzerstörung.
Gewiss, dieser Prozess
begann nicht erst mit der
Wahl George W. Bushs zum
43. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Aber seit dieser
Präsident und mit ihm die Neokonservativen in der Republikanischen Partei im Jahr
2000 die Regierung übernommen
hatten, ging es Schlag auf Schlag
Richtung Niedergang.
Unter der Überschrift
„Für ein neues amerikanisches Jahrhundert“ setzten
Bush und die Neokonservativen auf eine
Politik amerikanischer Überlegenheit im Alleingang. Das Ergebnis lässt sich wahrhaft
sehen:
Amerika hat seine moralische Glaubwürdigkeit durch Guantánamo
und Folter verloren; Iran ist heute dank des Irakkriegs zur regionalen Vormacht im Nahen Osten
geworden; die amerikanische
Militärmacht ist durch diesen unnötigen
und falschen Krieg überdehnt;
Bush hat von Clinton einen ausgeglichenen
Staatshaushalt übernommen
und seitdem einen riesigen Schuldenberg aufgehäuft; China ist heute Amerikas größter Gläubiger; der Dollar ist in seiner Rolle als dominante
globale Reservewährung ernsthaft gefährdet; dem amerikanischen Finanzsystem droht der Kollaps. Und als einzige Antwort
auf diese für die Weltwirtschaft existenzbedrohende
Krise bleibt der republikanischen Regierung in Washington nur noch die Verstaatlichung!
Wenn die Realität die Gags der Kabarettisten müde und alt aussehen lässt, dann wird
es meistens bitterernst. Das Mutterland der Marktwirtschaft verstaatlicht sein Finanzsystem und die Immobilienkredite!
Und das alles geschieht unter einem republikanischen
Präsidenten! Wenn die Lage nicht so ernst
und gefährlich wäre, könnte man darüber ja durchaus lachen.
Tatsächlich aber gibt
es nichts zu lachen, denn
der Ausfall des globalen Wachstumsmotors USA wird die Weltwirtschaft mit nach unten
ziehen. Damit wird auch die Gefahr
innerer Spannungen und sozialer Konflikte zunehmen,
die auf die Außenpolitik übergreifen
können.
Man mag und bisweilen muss man die USA wegen ihrer Außenpolitik hart kritisieren. Aber als Ordnungsmacht können sie heute
weder durch Russland noch China ersetzt werden. Und leider schon gar nicht durch ein
gespaltenes und blockiertes
Europa. Ein Niedergang amerikanischer Macht wird sich
also auch in der internationalen Politik negativ bemerkbar machen, da die USA nicht mehr in bisherigem
Umfang als Ordnungsmacht wirken können.
Historisch bestand immer
ein Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrise und politischen Spannungen bis hin zu Kriegen. So hat die Krise von 1929 direkt in den Zweiten Weltkrieg geführt. Diese Gefahr einer globalen
heißen Konfrontation besteht heute Gott
sei Dank nicht, da die Abschreckungspotenziale
dies verhindern. Auch eine Einschränkung des freien Welthandels wird bei circa 6,6 Mrd. Menschen
- 1929 etwas mehr als 2 Mrd. - und völlig neuen Kommunikationstechnologien
nur noch Verlierer produzieren. Die Zunahme regionaler oder gar globaler Spannungen schließt dies aber mitnichten aus.
Addiert man die negativen Konsequenzen des Zerfalls amerikanischer Macht, so muss man
hoffen, dass es sich dabei
nur um eine zeitweilige Schwächephase und nicht um den Beginn des endgültigen amerikanischen Niedergangs handelt. Wir Europäer allerdings
sollten endlich aufwachen, uns politisch zusammenschließen und
auf härtere Zeiten und mehr Verantwortung vorbereiten.