Wo die Mächtigen gemeinsam Lachshäppchen essen

 

 Beim exklusivsten Event der Münchner Sicherheitskonferenz treffen sich Politiker und Wirtschaftsbosse zum Plausch. Trotz Heiterkeit ist eines spürbar: die Eiszeit zwischen zwei Spitzenpolitikern.

 

Es ist ein Gipfeltreffen hinter den Kulissen, und normalerweise ein sehr vergnügtes: Beim traditionellen Dinner von Linde-Chef Wolfgang Büchele und Anwalt Wolfgang Seybold im Restaurant "Käfer" treffen Spitzenpolitiker und Dax-Vorstände, hochrangige Militärs und Verteidigungsexperten in entspannter Atmosphäre aufeinander.

 

Während Steak-Tartar-Happen gereicht werden, spricht Siemens-Chef Joe Kaeser, dessen Konzern wenige Stunden zuvor massive Stellenstreichungen verkündet hat, mit dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber über Bedingungen im internationalen Wettbewerb. "Der betrifft eben auch die Deutschen", sagt Stoiber. Yuval Steinitz, der israelische Minister für Internationale Beziehungen, findet gegenüber EU-Parlamentspräsident Martin Schulz versöhnliche Worte für dessen kontroverse Rede im Knesset.

 

Der ehemalige Außenminister Schwedens, Carl Bildt, trinkt einen Rheingauer Riesling ("Die Deutschen machen besseren Wein als die Schweden!") mit seinem ehemaligen polnischen Amtskollegen Radoslaw Sikorski. Wolfgang Porsche drängt sich an einem amerikanischen Vier-Sterne-General vorbei, E.on-Chef Johannes Teyssen und das Power-Paar Paul und Ann-Kristin Achleitner (er Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, sie renommierte Professorin) sind der Einladung ebenso gefolgt wie Entwicklungsminister Gerd Müller, der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Abdullah bin Zayed al-Nahyan, und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

 

Angespannte Ministerin

 

Doch bei aller diplomatischen Höflich- und bayerischen Gemütlichkeit gibt es an diesem Abend ein Thema, das die Gemüter erhitzt und die Lager spaltet. Es geht um den Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel beim russischen Präsidenten Wladimir Putin, für die US-Senator John McCain sie scharf kritisiert hat. Allein, dass die Kanzlerin nach Moskau gefahren sei, sei ein Triumph für Putin, sagt hier ein Experte.

 

Es geht auch um die deutsche Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrer Eröffnungsrede auf der Sicherheitskonferenz als "Brandbeschleuniger" bezeichnet hat. Einen "absoluten außenpolitischen Anfängerfehler" nennt das ein hochrangiger deutscher Gast. So etwas sage man nicht, selbst wenn man es denkt: "Wie kann man denn verhandeln, wenn man vorher bereits klarmacht, dass es unabhängig vom Ausgang keine Konsequenzen geben wird?"

 

Die Ministerin jedenfalls wirkt außergewöhnlich angespannt, als sie beim Dinner erscheint. Als sie sich zur ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright an einen Stehtisch gesellt, muss sie sich gleich anhören, was der Amerikanerin an der Rede alles nicht gefallen hat. Richtig sichtbar wird der transatlantische Graben aber erst, als John Kerry eine Stunde später ankommt.

 

Kerrys verschränkte Arme

 

Von der Leyen und er begrüßen sich nur im Vorbeigehen. Wo es im vergangenen Jahr trotz NSA-Affäre noch gemeinsame Fotos eines charmant lächelnden Kerrys mit einer strahlenden Ministerin gab, herrscht jetzt frostige Stille. Ein Foto der beiden nebeneinander kommt nicht zustande. Auch am Tisch, wo von der Leyen nur einen Platz von Kerry entfernt sitzt, wechseln die beiden kein Wort. Sie unterhält sich stattdessen so konzentriert mit ihrem Gegenüber Paul Achleitner, dass es fast krampfhaft wirkt. Kerry plaudert mit verschränkten Armen mit Linde-Chef Büchele. Irgendwie erinnert der Umgang an den eines frisch getrennten Ehepaares.

 

John Kerry wäre kein Amerikaner, wenn er nicht trotz der doch eher angespannten weltpolitischen Lage viel Optimismus mitgebracht hätte. Der irische Wildlachs ist gerade serviert, da versichert er der Gesellschaft bereits in seiner Rede, dass doch nicht alles schlecht sei. Ja, es seien zwar Zeiten des Umbruchs und der Herausforderungen, aber es gebe doch auch erfreuliche Entwicklungen. "Die Reaktion auf Ebola zum Beispiel", sagt Kerry. Und Aids in Afrika sei auch deutlich zurückgegangen. Und was Putin angeht: "Überdauert er uns in der Ukraine oder wir ihn? Ich sage euch, wir können ihn überdauern, wenn wir uns daran erinnern, wer wir sind." Die transatlantische Allianz werde zeigen, was sie wert sei, versichert er noch. Und im Übrigen könne er die Kanzlerin nur loben für ihre Bemühungen zu führen.

 

Das entspricht dem absoluten Minimum an diplomatischer Höflichkeit und bedeutet im Klartext, dass er von diesen Bemühungen nicht sonderlich viel hält. Das "Käfer"-Essen zum Auftakt der Münchener Sicherheitskonferenz hieß früher Dinner der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft. Aber das, so schien es dieses Jahr, ist lange her.