Nun sieht Amerika endlich, wie es Israel ergeht

 

Im Krieg gegen die Hamas predigten die Vereinigten Staaten, dass Zivilisten bei den Angriffen nicht umkommen dürfen. Nun können sie in Syrien und im Irak diese Forderung selbst nicht einhalten.

 

Noch vor Kurzem übte Washington heftige Kritik an Israels Vorgehen im Krieg gegen die Hamas in Gaza. "Der Verdacht, dass Extremisten in der Gegend operieren, rechtfertigt keine Angriffe, die das Leben so vieler unschuldiger Zivilisten gefährden", sagte etwa ein Sprecher des Außenministeriums damals. Nun jedoch führt Amerika im Irak und in Syrien selbst Krieg gegen eine islamistische Terrororganisation, und Zivilisten kommen dabei um – weil die IS-Kämpfer sich wie ihre Hamas-Kollegen unter die Zivilbevölkerung mischen. So schnell kann das gehen.

 

Tatsächlich haben die USA zugegeben, ihre Toleranzschwelle für die Inkaufnahme von zivilen Toten abgesenkt zu haben. US-Präsident Barack Obama hatte im vergangenen Jahr die Regel eingeführt, dass bei Luftschlägen gegen Terroristen, etwa in Pakistan, Afghanistan, Jemen oder Nordafrika, der Tod von Zivilisten mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden müsse.

 

Diese "near certainty rule" wurde nun im Kampf gegen den IS ausgesetzt. Sie sei nur eingeführt worden "für Gebiete, in denen die USA nicht in aktive militärische Auseinandersetzungen verwickelt sind", wie Caitlin Hayden, Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, gegenüber Yahoo News ausführte. Und diese Definition passe nicht für den Irak und Syrien. Dort sehe sich Washington nur an die üblichen Standards der Kriegsführung gebunden, also Proportionalität und die Unterscheidung zwischen Kämpfern und Zivilisten.

 

Zivilbevölkerung als Schutzschild

 

Die USA und ihre Verbündeten wie Frankreich und Großbritannien stehen vor demselben Dilemma wie Israel im Kampf gegen die Hamas: Wie kann eine demokratische Gesellschaft einen völkerrechtskonformen Krieg führen gegen Terroristen, die von vorneherein jegliches Völkerrecht missachten und die Zivilbevölkerung als Schutzschild benutzen?

 

In solch einer Situation gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt die andere Seite gewinnen, oder man nimmt in Kauf, dass in asymmetrischen Kriegen unweigerlich auch Zivilisten getötet werden, selbst wenn man viel investiert, um das zu verhindern.

 

Westliche Nationen haben dieses Dilemma ein Jahrzehnt lang in Afghanistan erlebt. Deshalb ist es erstaunlich, dass sie jedes Mal wieder, wenn Israel vor demselben Dilemma steht, so tun, als seien getötete Zivilisten an sich schon ein Beweis für eine unethische Kriegsführung, während sie tatsächlich vor allem Ausdruck des Zynismus der anderen Seite sind oder von Fehlern, die in unübersichtlichen Kampfsituationen unweigerlich passieren.

 

Es ist auch bezeichnend, dass sich die westlichen Öffentlichkeiten für die nun durch US-Luftschläge getöteten Zivilisten in Syrien weit weniger zu interessieren scheinen als kurz zuvor für die in Gaza. Ganz so, als gäbe es einen Standard, den der Westen nur an Israel anlegt – und dann schnell wieder vergisst, wenn das eigene Land im Kampf gegen Terroristen steht. Man könnte es auch Heuchelei nennen.