Putin ist der Gewinner der Doppelkrise

 

Was aussieht wie ein Duell zwischen Obama und Ruhani, ist ein Ringen zwischen USA und Russland. Es geht um den Mittleren Osten, die Zukunft des politischen Islams, Öl und Massenvernichtungswaffen.

 

Von Michael Stürmer

 

Auf der Bühne der UN-Vollversammlung ging es in der vergangenen Woche um das Erbe des syrischen Bürgerkriegs und die Macht am Persischen Golf. Seit mehr als drei Jahrzehnten ist die Region Wetterecke der Weltpolitik. Frieden ist hier ein großes WortNicht-Krieg wäre schon viel. In dieser Hinsicht aber hat sich in den letzten Tagen einiges getan.

 

Das historische Telefonat zwischen den Präsidenten der USA und des Iran, das erste seit 1979, ist interessant als Geste der Entspannung, aber kein Durchbruch Richtung Frieden. Es wirft mehr Fragen auf, als es Antworten liefert.

 

Washington sagt, die Initiative dazu sei von Ruhani ausgegangen. Wie wurde es vorbereitet? Was an Substanz gab es außer guten Wünschen? Und wem hat es genützt? Sicher mehr dem Iraner als dem Amerikaner. Was denkt der Rest der Welt darüber, von Moskau bis Riad und Jerusalem? Hat es die Welt, wenn auch nur wenig, verändert?

 

Iran will Groß- und Vetomacht werden

 

Was aussieht wie ein Duell zwischen Obama und Ruhani, ist in Wahrheit ein Ringen zwischen den USA und Russland um die Vormacht über den Mittleren Osten, die Zukunft des politischen Islams, Öl und Massenvernichtungswaffen.

 

Es geht um die Chemiewaffen, welche das syrische Regime in Unmengen besitzt und in Vororten von Damaskus eingesetzt hat, und die Atombombe, welche das iranische Regime öffentlich ablehnt und heimlich in Kavernen entwickelt.

 

Atomwaffen sind große Gleichmacher: Wer sie hat und die Trägersysteme dazu, der braucht sich vor niemandem zu fürchten. Der ist Herr im Haus und in der Nachbarschaft. Diese Nachbarschaft aber ist längst global.

 

Da der schiitische Iran Hauptsponsor des Regimes in Damaskus ist und bleibt, sind beide Konflikte nicht zu trennen. Für das Regime in Teheran geht es um den Status als Groß- und Vetomacht, für den Kriegsherrn in Damaskus ums Überleben.

 

Der größte Gewinner war zuletzt Putin

 

Wird es den USA und den Verbündeten gelingen, den Griff der Iraner nach der Bombe rechtzeitig abzufangen, möglichst ohne unkalkulierbaren militärischen Einsatz? Wird es, umgekehrt, der Mann im Kreml schaffen, Russland zum Schiedsrichter im Mittleren Osten hochzustufen, dessen Willen der Westen zu respektieren hat?

 

Putin hat durch seine Intervention, Syrien solle die Chemiewaffen "zu 100 Prozent" vernichten, dem US-Präsidenten eine Niederlage im Kongress erspart, für Syrien Zeit gewonnen und den russischen Großmachtanspruch unterstrichen. Er ist vorerst der Gewinner der Doppelkrise, muss allerdings zu Hause vom Nordkaukasus bis Tatarstan die islamistische Ansteckungsgefahr fürchten.

 

Ob der iranische Präsident zu den Gewinnern zählt, ist schon weniger gewiss. Sein Auftritt in New York war in Ton und Signalwirkung verbindlicher als der des halb irr sich inszenierenden Vorgängers Ahmadinedschad. In der Substanz gilt weiterhin abstreiten, Zeitgewinn, weitermachen.

 

Die verschärften Sanktionen tun wehdenn auch Russland beteiligt sich, weil die Bombe des Iran alle Landkarten verändern würde. Teheran muss angesichts der trostlosen wirtschaftlichen Lage neue Unruhen fürchten. Die Mullahs lernen, dass die Atomwaffe einen hohen Preis hat. Wie hoch – das entscheidet über Krieg und Nicht-Krieg.