Clausewitz würde raten, an das Morgen zu denken

 

Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln – das gilt als Kernsatz des preußischen Generals. In Wahrheit warnte er vor dem Verlust der politischen Steuerung. Die Warnung gilt bis heute. Von Michael Stürmer

 

Viel zitiert und wenig gelesen, würde der preußische General Carl von Clausewitz ("Vom Kriege", 1832) nicht erstaunt sein über das Hin und Her an Drohungen, Aufmärschen, Waffenrasseln und Bündnissuchen, das die Syrien-Krise seit dem Chemiewaffeneinsatz des 21. August in die internationale Politik projiziert, namentlich zwischen den nuklearen Supermächten. Krieg, so lässt sich die Lehre des Philosophen in der blauen Uniform zusammenfassen, ist eine extreme Form der Kommunikation.

 

Clausewitz war alles andere als ein Sänger des Krieges, im Gegenteil, er nannte Krieg "ernstes Mittel für einen ernsten Zweck". Und dann der missverständlichste aller Sätze: "Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln."

 

Warnung vor dem absoluten Krieg

 

Heißt das, dass Staatspolitik zuletzt und vor allem auf Krieg und Sieg gerichtet sein muss? Das Gegenteil ist wahr, und man muss den Satz als Warnung lesen: Vor dem "absoluten Krieg", wie ihn Napoleon der Welt vorführte, der sich aus dem Gesetz weder Maß noch Ziel setzen konnte; vor der Dominanz der Generale im Kriegsrat; vor dem Verlust der politischen Steuerung. Die Geschichte der Völker, vom Ersten Weltkrieg bis Vietnam, ist voll von Beispielen.

 

Während des Kalten Krieges galt Clausewitz als bibliophile Rarität für pensionierte Generale. Doch was der alte Preuße als Lehre aus den napoleonischen Kriegen seinen Hörern auf der Kriegsschulewie damals in aller Unschuld die höhere Ausbildung der Militärs hießaufgab, wurde israelischen Generalstäblern zur Pflichtlektüre.

 

Dies aus gutem Grund, wie man seit Monaten im Nahen und Mittleren Osten studieren kann, was gewöhnlich als Pulverfass mit glimmender Lunte beschrieben wird, aber in Wahrheit komplizierter ist.

 

Vielerlei Kommunikationslinien überschneiden sich: Moskau und Washington liefern sich einen Kampf um Einfluss in der Weltarena; der schiitische Iran kämpft gegen die sunnitische Mehrheit der Araber; Israel blickt mit äußerster Spannung auf die Allianz Syrien/Hisbollah/Iran und hat in den konservativen Arabern einen heimlichen Verbündeten; der "kleine Krieg", wie Clausewitz die Guerilla nannteheute spricht man von asymmetrischen Kampfformen – und der High-Tech-Krieg der Cruise Missiles belauern einander. Und so könnte man fortfahren, ohne Ende.

 

Clausewitz würde immer raten, die Politik nicht zu vergessen und an das Morgen zu denken.