Osama bin Fischer
Gideon Böss
10. Mai 2011
Nach über einer
Woche sitzt der Schock in Deutschland immer noch tief.
Osama bin Laden ist tot. Die 10.000 Japaner, die bei einem Tsunami starben, beschäftigten die Volksseele hingegen nicht. Wahrscheinlich, weil die Überschwemmung die Rache der Natur
für Fukushima war. So was kommt
eben von so was. Selbst schuld, baut halt Windräder. Die Navy Seals aber sind keine Naturkatastrophe,
die sind Auge und Zahn. Außerdem hat Osama keine Atomkraftwerke gebaut, was für ihn spricht.
Er ist uns
ohnehin näher als die seltsamen Japaner. Er hat eine kritische Meinung zu Israel, zu den USA, zum Kapitalismus und der Globalisierung. Wie wir. Er stellt
seine Religion selbstbewusst zur
Schau, was Annete Schavan ja so am Islam schätzt und entspricht auch sonst dem
Bild eines gemütlichen Ex-Radikalen. Das waren wir
in Deutschland auch einmal,
radikal. Ex-Nazi, Ex-Oberterrorist,
wir wissen, dass man sich ändern
kann. Osama hat sich geändert. Die Amis aber nicht und die Japaner auch nicht.
Von daher
sollte die Frage erlaubt sein, was gewesen wäre, wenn
ein Anti-Konflikt-Team der Berliner Polizei den „Terroristen“ (der für andere Freiheitskämpfer
ist) in Pakistan besucht hätte? Er wäre
für ihre Argumente zugänglich gewesen und mit ihnen zusammen in das Flugzeug gestiegen.
Noch im internationalen
Luftraum hätte er eingewilligt, an Westerwelles Aussteigerprogramm für Islamisten teilzunehmen und in Berlin gelandet,
wäre ihm ein roter Teppich
von der Linken und den Grünen ausgerollt worden. Die SPD hätte da auch gerne mitgemacht,
aber weil Gregor Gysi vor laufenden
Kameras poltert, dass eine Partei,
die einen Sarrazin in ihren Reihen hat, für Migranten keine
Option sein kann, trauen sich die Sozialdemokraten nicht. Die CDU bleibt dem Empfang
zwar fern, lädt den Neuen aber zur
Islamkonferenz ein. Die FDP wiederum ist
neutral. Sie ist weder dafür noch
dagegen, dass Osama dies oder jenes macht.
Vermutlich hätte der
Wolkenkratzerkritiker sich dann der Linken
angeschlossen (nachdem ihn die Grünen ablehnten, weil er jahrelang
seinen Müll nicht getrennt und im Garten seiner
Villa verbrannt hatte, was ihm der harte
Kern der Partei dann doch nicht
verzeihen konnte). Er ist schließlich
auch ein entschiedener Gegner des Afghanistankrieges und fordert seit Jahren den Abzug der westlichen
Truppen. Er würde im Ausländerbeirat
sitzen und könnte den jungen Muslimen, die perspektivlos mit ihren iPhones spielen,
ein Vorbild sein. Außerdem wäre es möglich,
dass er an
der Volkshochschule Kurse zum Thema
Videoschnitt und Rhetorik anbietet und zusätzlich etwas Geld mit Werbung für ein
Bartfärbemittel verdient.
Warum hätte es
nicht gelingen sollen, Osama zu integrieren? Er war früher ein Hitzkopf,
klar, er hat ein paar amerikanische
Städte angegriffen, okay, aber Joschka Fischer schlug auch auf Polizisten ein und später wurde er
zum beliebtesten deutschen Politiker. Und genau das wäre
die längerfristige Perspektive
gewesen: Osama bin Laden, der
erste deutsche Außenminister
mit muslimischem Migrationshintergrund.
Um dieses Happy End haben uns die Amis
nun gebracht. Vielleicht versteht man jetzt besser, warum in Deutschland der amerikanische Jubel mit so viel
Empörung aufgenommen wird. Ihr habt
uns einen guten Mann genommen, ihr kulturlosen Micky Mäuse.