Die ohnmächtige Supermacht im Angesicht des Öls

 

Von Uwe Schmitt

 

16. Mai 2010

 

Die US-Amerikaner müssen derzeit mit anschauen, wie die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko die Machtlosigkeit ihres Staates offenbart. Politik und Umweltbehörden haben versagt, den Wahlkampfspenden sei Dank. Inzwischen vertrauen die Bürger nicht einmal mehr darauf, dass Obama der Katastrophe Herr wird.

 

Seit dem 20. April blutet kochend heißes Rohöl aus der Bohrwunde im Grund des Golfs von Mexiko. Niemand weiß, wie viele Liter Louisiana Light sich Tag für Tag aus dem Loch in 1500 Meter Tiefe ergießen, Schätzungen schwanken zwischen 200.000 und zwei Millionen Litern. Doch jeder müsste inzwischen wissen, wie brandgefährlich Tiefseeförderung ist, wie nahe am Glücksspiel. Alle Sicherheits- und Rettungspläne der Ölkonzerne sind für weit geringere Tiefen ausgelegt.

 

Bestürzender als die vergeblichen Abdichtungsversuche BPs ist jedoch die Ohnmacht der Supermacht, die nicht mehr tun kann, als Gebete, Verfluchungen und strengere Gesetze zu schicken. Die mächtigste Marine der Weltmeere hat weder die Mittel noch das Know-how, Amerika zu helfen.

 

"Tschernobyl von Big Oil"

 

Manche nennen die Havarie der „Deepwater Horizon“ das „Tschernobyl von Big Oil“. Andere erinnern an die abgebrochene Mondmission von „Apollo 13“ im April 1970. Der Vergleich mit den Pionieren des Weltalls führt in die Irre.

 

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Ölpest in den USA

 

Die Chronologie einer Katastrophe

 

Die Ölkonzerne haben nicht die Verschiebung der Grenzen für die Menschheit im Sinn, das müssen sie auch nicht. Ihre Verschiebung der Explorationen an die Grenzen des technisch Machbaren (und jenseits des Beherrschbaren im Fall eines Unglücks) in immer tiefere See, immer teurer und immer riskanter, dient ihrem Gewinnstreben, nichts sonst.

 

Regierungen, die Lizenzen vergeben, Aufsicht führen und Tantiemen kassieren, haben das Gemeinwohl im Blick zu halten. Was der Admiral der US-Küstenwache, Thad Allen, „die Tyrannei der Tiefenennt, ist eine selbst gewählte, menschengegebene Tyrannei. Niemand muss sich ihr beugen.

 

Die Nützlichkeit von Wahlspenden

 

Fest steht nach den Anhörungen im US-Kongress, dass die Regierung ihrer Aufsichtspflicht nicht genügt hat. Sei es aus Laxheit und kungelnder Nachlässigkeit, sei es aus dem schieren Unvermögen der Behörden, Tiefseebohrungen zu kontrollieren oder auch nur in allen technischen Details zu erfassen.

 

Das zuständige Amt zur Verwaltung der Bodenschätze der USA, der Mineral Management Service (MMS), vertraute BP und den Zusicherungen des Pächters blind. Der MMS duldete, dass die „Deepwater Horizon“ unter der Billigflagge der Marshallinseln fuhr. BP und die anderen Riesen des Ölgeschäfts regulierten sich selbst. Es war allgemein in der Branche akzeptiert, dass es billiger ist, Unfälle und Strafgebühren zu riskieren, als in Sicherheitssysteme zu investieren.

 

Die Nützlichkeit von Wahlspenden war offenkundig. Präsident Barack Obama gab unter dem Eindruck der Anhörungen erzürnt zu, das Kontrollsystem habeversagt, schlimm versagt“. Er werde dafür sorgen, dass es mit dergemütlichen Beziehungzwischen Staat und Big Oil ein Ende habe. Viel Glück.

 

Der Staat wurde zum Zuschauer

 

Nun schauen die Amerikaner in den Abgrund des Mississippi-Grabens und in die Abgründe des Versagens ihrer Behörden. Man muss nicht systemstürzenden Verschwörungstheorien anhängen, um beklemmende Gemeinsamkeiten mit der Kasinomentalität von Bankern an der Wall Street zu erkennen.