Deshalb unterstützt China die Schurkenstaaten

 

Von Clemens Wergin

 

17. Februar 2010, 16:53 Uhr

 

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz wurde einmal mehr deutlich: China hält sein schützendes Händchen über das iranische Atomprogramm. Das hat diverse Gründe. Neben handfesten Interessen (Tibet, Rohstoffe) verhält sich das Reich der Mitte bewusst solidarisch mit den diktatorischen Regimes dieser Welt.

 

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz gab es vor knapp zwei Wochen neben der Rede des iranischen Außenministers noch einen weiteren skurrilen Auftritt: den des chinesischen Außenministers. Yang Jiechi breitete vor einem erstaunten Publikum die Harmonielehre der chinesischen Außenpolitik aus. Ganz so, als hätte China in den letzten Jahren nicht stets zuverlässig an der Seite jener Schurken gestanden, die diese Harmonie und die internationale Ordnung empfindlich störenegal ob der Sudan, Nordkorea oder der Iran.

 

Nachdem Russland im Atomstreit inzwischen auf die Linie der westlichen Staaten eingeschwenkt ist, verhindert nur noch Peking neue Sanktionen. Ständig wiederholen die Chinesen, dass man weiter auf Verhandlungen setzt. Und das acht Jahre nach der Entdeckung des geheimen iranischen Atomprogramms und nach sechs Jahren intensiver Verhandlungen, die eine Abfolge von iranischen Lügen, Täuschungsmanövern, gebrochenen Abkommen und zurückgenommenen Versprechen waren.

 

Chinas Schutzmäntelchen für den Iran hat Gründe

 

Die chinesische Weigerung hat mehrere Gründe. Erstens bezieht das Land wichtige Rohstoffe aus dem Iran. Zweitens ist Peking – unter anderem wegen der Tibet-Frageseit Langem einer der wichtigsten Verfechter des Prinzips der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und sieht das offenbar als wichtiger an als die Verpflichtungen, die Teheran mit der Unterzeichnung des Nichtweiterverbreitungsvertrages eingegangen ist. Drittens ist Chinas Position von einem antiwestlichen Impuls geprägt, der auch Moskaus Iran-Politik lange bestimmte: Ein in machtpolitischen Kategorien des 19. Jahrhunderts verankerter Gleichgewichtsbegriff, wonach alles gut für China ist, was dem Westen schadet. Und viertens handelt China aus Solidarität zu einem anderen autoritären Regime.

 

Dieser letzte Punkt wird in der außenpolitischen Debatte oft übersehen, weil der Westen China als Land begreift, das in seiner politischen Entwicklung auf halber Strecke stehen geblieben ist, aber irgendwann doch im Hafen der Demokratie landen wird. Tatsächlich dauert der seit der Französischen und der Amerikanischen Revolution andauernde Konflikt zwischen liberaler Demokratie und autoritären Regimes an. Er ist mit dem Ende der 90er-Jahre nur in eine neue Phase eingetreten und hat nicht mehr die ideologische Schärfe wie im Kalten Krieg, weil weder Russland noch China der Welt eine echte politische Alternative anzubieten haben. Aber sie und viele andere sehen sich in einem Abwehrkampf gegen die Demokratie. Und da wird jeder Staat, der im autoritären Lager verbleibt, zu einem wichtigen Verbündeten.

 

Autoritäre Regimes halten zusammen

 

Als Woodrow Wilson 1917 gegen Deutschland in den Ersten Weltkrieg eintrat, wollte er „die Welt sicher machen für die Demokratie“. Heute wollen autoritäre Regimes die Welt sicher machen für undemokratische Staaten. Nachdem in den 90er-Jahren eine Welle der Demokratisierung über den Globus schwappte, haben sie zähen Widerstand organisiert. Sie lernen voneinander. Und sie stehen zusammen.

 

Letztlich ist es irrelevant, ob der Iran eine Theokratie ist und Nordkorea einen Steinzeitkommunismus predigt. Wichtig für Peking ist, dass beide Teil jenes antidemokratischen Bollwerks sind, mit dem die Demokratisierungswelle aufgehalten werden kann. Wie erfolgreich diese Strategie war, lässt sich etwa an den Berichten von Freedom House ablesen, die in den letzten vier Jahren einen Rückgang an Freiheit und Demokratie in der Welt verzeichnender schlimmste Rückschlag seit dem Fall der Mauer.

 

China will Mitsprache ohne Pflichten

 

Mit dem Wiederaufleben der Systemkonkurrenz geht auch die aus dem Kalten Krieg wohlbekannte Lähmung des internationalen Systems einher. Dabei droht mit Barack Obama gerade jener Präsident am UN-Sicherheitsrat zu scheitern, der wie wenige vor ihm auf ein Wirken Amerikas durch das internationale System setzt. Wenn Peking dafür sorgt, dass der UN-Sicherheitsrat bedeutungslos wird, befördert es eine Erosion des internationalen Systems. Und mit einer iranischen Bombe würde ein wichtiger Pfeiler dieses Systems – das Nichtverbreitungsregime

 

China will überall ein gewichtiges Wort mitreden, ohne aber die damit einhergehenden Pflichten anzunehmen. Es ist aber an der Zeit, dass auch China endlich Verantwortung übernimmt für die Aufrechterhaltung einer internationalen Ordnung, von der es als stärkste Exportnation mehr als jedes andere Land profitiert. Das sollte wichtiger sein als die Solidarität unter Diktatoren.