Mahdismus und das iranische
Atomprogramm
von Wahied Wahdat-Hagh
11.12.2009 -
11.54 Uhr
Bei
einem Besuch in Isfahan hat sich der iranische Präsident Ahmadinejad zu seinen
messianischen Vorstellungen, seiner Feindschaft gegenüber dem Westen und dem
iranischen Atomprogramm geäußert. Indessen geht die massive Unterdrückung der
zivilgesellschaftlichen Bewegung weiter.
Vorweg: Die
Urananreicherung und das Atomprogramm dienen nach dem Verständnis von Präsident
Ahmadinejad und seinem Mentor Ayatollah Mesbahe Yazdi der Beschleunigung der
Rückkehr des in der Mitte des 10. Jahrhunderts verschwundenen
zwölften Imam der schiitischen Muslime. Der zwölfte Imam, Mahdi, ist theologisch eine messianische Gestalt wie sie in allen
monotheistischen Weltreligionen vorkommt und deren Rückkehr erwartet wird. In
der khomeinistischen Interpretation des Islam muss der Klerus solange herrschen
bis der Messias erschienen ist. Und
in der Interpretation von Ayatollah Mesbahe Yazdi, un-geistiger Mentor des
Präsidenten Ahmadinejad, kann dieser Prozess beschleunigt werden. In
einer Schlacht gegen die ungläubige Welt soll dann die Islamisierung der Welt
erfolgen.
Ahmadinejad
legitimiert das iranische Atomprogramm vor dem Hintergrund einer solchen
schiitischen Mythologie: Deswegen verfolgen die khomeinistischen Machthaber im
Iran nicht nur das Ziel der totalen Kontrolle über die eigene Gesellschaft,
sondern gleichzeitig das ideologische Ziel der Islamisierung der Welt. Denn nach der schiitischen Vorstellung tritt Frieden nur unter
islamischer Herrschaft ein.
Vor diesem
Hintergrund glaubt Ahmadinejad tatsächlich, dass die US-amerikanische Regierung
die Rückkehr eines 12. Imam verhindern will, denn sie befürwortet ja keine
islamische Herrschaft, sondern verfolgt die Durchsetzung menschenrechtlicher
und rechtsstaatlicher Normen . Gegen eine solche
demokratische Perspektive sind alle Islamisten, ob
Anhänger von Ahmadinejad oder Anhänger des nicht mehr regierenden
Ex-Präsidenten Khatami. Denn die islamistische Perspektive ist
die Durchsetzung einer reinen islamischen Herrschaft, die auf unterschiedlichen
Wegen erreicht werden kann.
Anhänger aller
Schattierungen des Khomeinismus verfechten eine „göttliche Gerechtigkeit“, die
nur mit der Durchsetzung der anachronistischen islamischen Strafgesetzgebung
mit staatlichen Mitteln erreicht werden kann.
Daher ist auch
der antiimperialistische Kampf gegen die USA, an der Spitze der gesamten
westlichen Welt nur unter der Fahne des Ayatollah Khomeini und des 12. Imam möglich.
Ayatollah Mesbahe
Yazdi und Präsident Ahmadinejad gehen vom festen Glauben aus, dass die Welt
sich in dieser messianischen Phase befindet. Dies ist die schiitische Variante
eines apokalyptischen Denkens, das die paramilitärischen Unterdrückungsorgane
der Bassiji und der Revolutionsgardisten nicht als Instrumente einer
totalitären Herrschaft, sondern als „heilige Institutionen“
versteht.
Daher ist die
„mahdistische Gesellschaft“, von der Präsident Ahmadinejad spricht, die
totalitäre „Utopie“ aller schiitischen Islamisten.
"Die Idioten", die Waffen an
den Iran verkauft haben
Der
iranische Präsident Dr. Mahmoud Ahmadinejad äußert seine Paranoia selten so
deutlich, wie Anfang Dezember in Isfahan. Am 4.12.2009 sagte er: "Wir verfügen über Dokumente,
die belegen, dass Amerika die Rückkehr des zwölften Imam verhindern
will."
Ahmadinejad
meint, dass Ex-Präsident Reagan und sein damaliger Außenminister vorhatten den
"Namen des Iran von der geographischen Landkarte zu löschen." Dabei haben sie dem
Iran Waffen verkauft.
Ahmadinejad
bezeichnete den verstorbenen Ex-US-Präsidenten Ronald Reagan und seinen
damaligen Außenminister George Schultz als
"Idioten". Die Nachrichtenagentur Tabnak berichtete aber nicht, warum
Ahmadinejad ausgerechnet Reagan und Schultz, die tatsächlich für die
Waffenverhandlungen mit dem Iran im Rahmen der Iran-Contra-Affäre
verantwortlich sind, als „Idioten“ beschimpfte.
Zur
Vorgeschichte: Die USA lieferten Anfang der 80er Jahre Waffen in den Iran im
Austausch gegen US-amerikanische Bürger, die im Iran verhaftet und als Geiseln
festgehalten wurden. Die Reagan-Regierung finanzierte aus dem Waffengeschäft in
der Iran-Contra-Affäre die rechtsgerichteten Contras in Nicaragua, ein
politischer Skandal, der in die Geschichte einging.
Heute werden
genau diejenigen verantwortlichen US-Politiker von Ahmadinejad als "Idioten" bezeichnet, die Waffen an den Iran
verkauft haben.
Tatsächlich ist Ahmadinejad der festen Überzeugung, dass der
"Westen und der Osten Iran vernichten wollen", berichtete die
iranische Nachrichtenagentur Tabnak.
Dabei
geht Ahmadinejad davon aus, dass der "wichtigste Teil der Welt der
Mittlere Osten ist und das wichtigste Land im Mittleren Osten der Iran
ist."
Der
iranische Präsident ging auch auf Israel ein und sagte, dass sogar die
"sieben Ahnen des zionistischen Regimes" keinen Krieg gegen den Iran
wagen würden.
Die Amerikaner wollen die Wiederkehr des verschwundenen Imam verhindern
Laut
Tabnak sagte der iranische Präsident, dass die "Arroganten hinter Öl und
Reichtümer dieser Welt" her seien. Er kritisierte aber nicht nur die Präsenz der
amerikanischen Truppen in Afghanistan. Präsident Ahmadinejad behauptet beweisen
zu können, dass die Amerikaner mit der Propagierung einer schon erschienenen
Offenbarung in Wirklichkeit die "Wiederkehr des Imam" verhindern
wollen.
"Die Vierbeinigen" im afghanischen Schlamm
Der
Iran sei von "Feinden" militärisch umzingelt, beklagt Dr.
Ahmadinejad. "Sie haben den Plan Iran zu zerstören," sagte er.
Dabei seien die Amerikaner in Afghanistan wie "Vierbeinige im Schlamm
versunken."
Ahmadinejad
sagte, dass die westlichen Staaten heute versuchen würden das iranische Regime
zu stürzen. Aber die "absolute Herrschaft des Klerus" (Vilayate
Faqih) in der Nachfolge der Herrschaft der schiitischen Imame werde immer siegen.
Apokalyptisch-virulente Visionen und das Atomprogramm
Der iranische
Präsident Ahmadinejad lehnt die Entscheidungen des Gouverneursrates der IAEA
entschieden ab. Er ist der festen Überzeugung, dass Institutionen wie die IAEA
nicht "gerecht und logisch handeln, weil sie unter Druck von scheinbar
mächtigen Staaten handeln, die zum Untergang verurteilt sind und gegen uns
Resolutionen verabschieden."
Ahmadinejad sagte
in Isfahan, dass die westlichen Staaten glauben würden, dass alle Menschen
ihnen gehorchen werden. Er beschrieb die Rolle der IAEA wie folgt: "Solche
Organisationen stehen unter der Kontrolle einiger verfaulender Staaten und sie
handeln absolut nicht legal." Er betonte, dass das "Thema des
Atomprogramms von unserer Seite abgeschlossen ist."
Im Bezug auf die
Urananreicherung sagte er: "Wenn ihr uns keinen Brennstoff liefert, dann
werden wir mit Hilfe Gottes zwanzigprozentiges Uran und alles was wir brauchen,
anreichern. Sie führen einen psychologischen Krieg und
behaupten, dass es einen Krieg gegen uns geben wird. Es ist alles ein Propagandaspiel. Einige von
ihnen haben bei meinen vergangenen Reisen nach New York gesagt, dass das
zionistische Regime sehr erzürnt ist und dass sie vielleicht etwas gegen uns
unternehmen werden", plauderte der iranische Präsident. Er setzte
fort: "Aber ich habe ihnen geantwortet, dass das zionistische Regime ein
Nichts ist und sogar ihre Herren können nichts gegen uns unternehmen."
Ahmadinejad sagte
im Hinblick auf die Politik der Obama-Administration: "Er (Obama) sagte,
er wolle prinzipielle Änderungen vornehmen und wir haben dies begrüßt und haben
ihn mit folgenden Worten aufgefordert etwas zu unternehmen: Bismillah, im Namen
Gottes, tut etwas. Ich habe ihm (Obama) gesagt, wenn ihr
prinzipielle Änderungen haben wollt, dann führt Veränderungen durch.
Beendet endlich die Politik der Gewalt, der Aggression, der Gesetzlosigkeit,
der Diskriminierung, der militärischen Besetzung des Mittleren Ostens und
beendet die Unterstützung der zionistischen Mörder. Liebt die Völker dieser
Welt. Und wir haben uns bemüht, dass Änderungen stattfinden.
Aber wir machen uns jetzt Sorgen. Die (Amerikaner)
gehen nicht positiv voran."
Der iranische
Präsident meint besorgt zu sein, dass die "Zionisten" den
US-Präsidenten Obama lenken könnten, so wie Ex-Präsident Bush beeinflusst
worden sei. Ahmadinejad hebt hervor, er habe Präsident Bush einen Brief
geschrieben, in dem er Bush empfohlen habe als Christ
auch wie ein Christ zu handeln. Bush habe aber auf die heiligen Zitate, die
Präsident Ahmadinejad, dem amerikanischen Präsidenten geschrieben habe, nicht
gehört.
Präsident
Ahmadinejad bezeichnete den Ex-Präsidenten Bush als
den am "meisten verabscheuungswürdigen amerikanischen Präsidenten"
und wünschte Präsident Obama nicht dasselbe Schicksal wie seinem Vorgänger.
Präsident
Ahmadinejad behauptete schon vor einem Jahr die Existenz einer kürzlich erst
entdeckten Anlage gemeldet zu haben und sagte: "Wer hat Euch überhaupt
erlaubt in unserem Land Spionage zu betreiben?" Ahmadinejad warf dem
Westen eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran vor.
Ahmadinejad will die Welt verwalten
Tabnak berichtete
über zwei "Regierungsaufgaben", die Ahmadinejad in Isfahan
verkündete: Aufbau des Iran und der "Beginn der Verwaltung der Welt."
Der iranische Präsident fügte hinzu: "Wir dürfen nicht erlauben, dass
diejenigen, die die Welt 400 Jahre lang beherrscht
haben, weiterhin ihre Arroganz der Welt aufbürden." Ahmadinejad glaubt,
dass der Faktor "Kultur" ihn und die "Islamische Republik
Iran" besonders prädestinierten die Welt zu verwalten und sagte daher:
"Wir wollen die Wirtschaft und die Politik der Welt in Ordnung bringen. Aber wir haben nur eine begrenzte Zeit." In dem
Zusammenhang bezeichnete er die westlichen Gesellschaften als
"kulturlos". Als Beweis für die Kulturlosigkeit des Westens erwähnte
der iranische Präsident die "Beleidigungungen der muslimischen Heiligtümer
und die Verhinderung von Moscheen und Minaretten."
Ahmadinejad und die "Kulturarbeit“
Der iranische
Präsident glaubt, dass "manche Mächte sich in allen
Dimensionen in der Krise befinden." Die wirtschaftliche Macht Amerikas und
der westlichen Welt befänden sich im Untergang. Lateinamerika
sei aber auf dem Weg zum Monotheismus. Deswegen müsse die Islamische
Republik sich Gedanken machen, wie Iran die Welt verwalten könnte. Er sagte:
"Wir müssen uns bemühen mit einer neuen Form der Machtausübung die Welt zu
verwalten." Er betonte, dass der Iran auch mit Hilfe von
"Kulturarbeit" dieses Ziel der Verwaltung und Führung der Welt
erreichen muss.
Abschließend soll
hier ein Beispiel für die „Kulturarbeit“ der islamistischen Herrschaft im Iran
geliefert werden: Die in Deutschland lebende Parastou Foruhar ist auch in
diesem Jahr in den Iran gereist, um den Jahrestag der Hinrichtung ihrer Eltern
gemeinsam mit ihren Angehörigen zu begehen. Als sie
Iran Richtung Frankfurt verlassen wollte, wurde ihr der Reisepass im Teheraner
Flughafen weggenommen und sie wurde inhaftiert. Parastou Foruhar ist eine der renommiertesten Exil-Künstlerinnen des Iran. Vielleicht wird sie vor Gericht verurteilt. Die Welt der
Politik schweigt zu diesem Einzelfall und zu den massiven
Menschenrechtsverletzungen im Iran. Die europäische Politik sollte endlich
erkennen, dass die „Islamische Republik Iran“ nicht
reformierbar ist und Menschenrechtsforderungen zur Grundlage ihrer Außenpolitik
gegenüber dem Iran machen.