Gnade für todkranken Lockerbie-Attentäter
Zweifelhafte Umstände
Von
Thorsten
21. August 2009
An den Maßstäben des schottischen Rechts gemessen, ist die Freilassung des Lockerbie-Attentäters
Abdelbasset al-Megrahi kaum
zu beanstanden. Der Libyer, offenbar
unheilbar an Prostatakrebs erkrankt, erfährt nach acht
Jahren Haft einen Akt der Gnade,
er darf seine letzten Lebenswochen in der Heimat verbringen.
Dass er selbst
bei seiner Tat, dem Massenmord an 270 Passagieren an Bord eines PanAm-Flugzeugs
im Jahr 1988, keine Gnade kannte,
ist für einen
humanen Rechtsstaat kein Argument: Er hat der Gerechtigkeit mit der Verurteilung
zu lebenslanger Haft Geltung verschafft und kann, in den Worten des schottischen Justizministers MacAskill, darauf verweisen, dass sich Megrahi nun "vor einer höheren Macht"
verantworten muss: "Er
wird bald sterben."
Zweifel allerdings ergeben sich aus
den Umständen des Gnadenakts,
dem der Ruch
eines Deals anhaftet. Ist es nur
ein Zufall, dass hochrangige Vertreter Großbritanniens seit einigen Wochen
Libyen bereisen, um den Zuschlag für die Ausbeutung gigantischer Öl- und Gasvorkommen vor der Küste
des nordafrikanischen Landes
zu bekommen? Ist der noble Akt
der Humanität also nur die Fußnote eines Geschäftsabschlusses? Diese Frage wird
wohl offenbleiben - wie so vieles, was im Zusammenhang mit der Aufklärung
eines der spektakulärsten Terrorfälle des
20. Jahrhunderts steht. Denn trotz seiner Verurteilung gab es immer Zweifel, ob die im Prozess gegen
Megrahi vorgelegten Indizien
wirklich einen Schuldspruch rechtfertigten.
Ernst zu nehmende Stimmen sprachen damals von einem "Fehlurteil". Es wäre deshalb wünschenswert gewesen, wenn die schottische Justiz früher über
eine Wiederaufnahme des Verfahrens nachgedacht hätte. Nun ist es dafür zu
spät.