Iran fürchtet Einfluss westlicher Medien
von Wahied Wahdat-Hagh,
Kolumnist für WELT DEBATTE
08.05.2009
Trotz sich wiederholender
Razzien und drastischer Strafen schauen Millionen Menschen im Iran Satellitenfernsehen und hören Radiosendungen des Exils. Das Forschungsinstitut des iranischen
“Parlaments” hat eine
38-seitige Studie verfasst,
die sich mit ausländischen Fernsehanstalten wie BBC und Voice of America (VOA)
beschäftigt. Ihnen wird Subversion vorgeworfen.
Experten der wissenschaftlichen
Abteilung des iranischen „Parlaments“ halten
nichts vom demokratischen Gedankengut westlicher Medien. Ihnen wird „sanfte
Subversion vorgeworfen.“ Der Westen wolle
den Iran georgisieren, so die iranischen
Wissenschaftler. Zur Erinnerung: Im April 1991 erklärte Georgien seine Unabhängigkeit und ist
seit 2004 mit der NATO verbunden. Georgien ist
damit Europa und dem Westen näher
gerückt. Dies ist
für das iranische Regime ein abschreckendes Beispiel.
Im Iran werden Journalisten und Wissenschaftler,
Angehörige religiöser Minderheiten verhaftet, weil ihnen
als Standardvorwurfe Spionage vorgehalten wird. Ein Vorwurf,
der an die Praktiken der realsozialistischen
Diktaturen erinnert. Auch der inhaftierten iranisch-amerikanischen Journalistin
Roxana Saberi wird Spionage
vorgeworfen. Dabei hat sie
für das US-amerikanische
National Public Radio, für Fox News sowie für die britische
BBC recherchiert.
Kluft zwischen Volk und Herrschaft
Die persischsprachigen
Sendungen der Fernsehanstalten der BBC und VOA werden als
„fremde Informationsorganisationen“ identifiziert. Diese sollen eine
„Kluft zwischen dem Volk und der Herrschaft erzeugen, um die Klasse der Intellektuellen
gegen das islamische System
aufzuhetzen, und um die sezessionistischen
Potentiale der Ethnien und ihre Identitäten zu verstärken,“ meinen die Experten der totalitären
Diktatur.
Die Arbeit
von VOA und BBC bestehe aus „grenzüberschreitenden Antisicherheitsmaßnahmen“. Es ist
die Sprache von Vermittlung
einer „Anti-Kultur“, die
dank der Revolution in der Informationstechnologie möglich werde. In der Studie
wird hervorgehoben, dass verschiedene Begriffe wie „velvet revolution“,
„colour revolution“, „flower revolution“, „soft
subversion“, alle dasselbe Phänomen von „friedlichen Bewegungen im Management der Medien“ beschreiben.
Solche Medien würden das Ziel verfolgen „das öffentliche Bewusstsein zu mobilisieren.“ Dieser
neue Umsturzversuch legitimiere sich mit sogenannten „demokratischen Programmen.“
„Soft subversion“ beinhalte anders
als eine „Revolution von innen oder ein
militärischer Angriff von außen jede Art von psychologischen Maßnahmen und Medienpropaganda.“ Das Ziel sei eine
Niederlage des Rivalen herbeizuführen. Zu den bekannten Instrumenten einer „sanften Subversion“ würden „psychologische Kriegsführung, Radio und Fernsehanstalten
und die Bildung von Netzwerken“
gehören.
Die Studie
erinnert an die „sanfte
Subversion“, die im Rahmen der Perestroika unter Gorbatschow zum Sturz der Sowjetunion
geführt habe. Auch in den postkommunistischen Gesellschaften der Tschechoslowakei, Serbiens, Georgiens, der Ukraine und Kasachstans sei die Strategie des Westens erfolgreich gewesen, heißt es in der
Studie des iranischen „Parlaments“.
Das Hauptziel
dieser Revolutionen sei die „Beseitigung eines jeden Hindernisses
für die große amerikanische Hegemonie in der Welt.“ Als
Hindernis für eine US-Hegemonie werden China, Russland und die islamische Welt genannt. Dies erfolge in einem „nichtideologischen Kalten Krieg.“ Das endgültige
Ergebnis dieses Krieges sei noch offen.
Zwar hätten die
Shanghai-Allianz und der Krieg zwischen
Russland und Georgien diesen Prozess verlangsamt, aber die Hauptstrategie der USA bestünde im Einsatz
der „sanften und intelligenten Macht.“
Die
„schwarze Diplomatie“ und das „sanfte Umsturzmodell“
Der Westen verfolge
zwei parallel verlaufende Strategien: Mit der „schwarzen Diplomatie“ würden
„offizielle Beziehungen“ mit dem Iran gepflegt
werden. Bei dieser Strategie setze der Westen
auf „demokratische Prozesse
im Land mit dem Ziel eines
Sturzes der Herrschaft.“ Mit
Hilfe von Radio, Fernsehen,
Internet, durch „Solidarität
von Arbeiterverbänden, Menschenrechtsgruppen
und religiösen Vereinigungen,
die gegen das System der Islamischen Republik“ seien, soll ein
Umsturz von innen organisiert werden. Dabei verfolge man
die Strategie der Wirtschaftssanktionen und der heimlichen finanziellen Unterstützung der iranischen Opposition.
Die zweite
Strategie sei ein „sanftes Umsturzmodell“.
Dabei werde auf die „schwarze Diplomatie“ verzichtet und man führe lediglich „Gespräche mit der
Bevölkerung, den Studenten
und den Führern zivilgesellschaftlicher
Bewegungen des Iran. Diese Gespräche erfolgen durch das Internet und durch moderne Technologien.“
Die Studie
nimmt ernsthaft paranoiden Charakter an, wenn behauptet wird, dass für
beide Strategien die „US-amerikanische Regierung und die
CIA westliche Medien einsetzen, wie das persischsprachige Satellitenfernsehen
der VOA und der BBC.“ D.h.
demnach ist die gesamte iranische und iranbezogene Exilmedienlandschaft
geheimdienstlich gesteuert,
was eine absolute Verkennung
der freien Presse und Wissenschaft in demokratischen Staaten darstellt.
Die westlichen
Medien würden mit allen „potentiellen
Kräften, die einen sanften Umsturz bewerkstelligen können, mit ethnischen und anderen Minderheiten, nichtstaatlichen Institutionen, gesellschaftspolitischen Eliten, sozialen Bewegungen wie Frauen-, Studenten-, und Arbeiterbewegung im Land und schließlich mit der Exilopposition eine organische Verbindung aufbauen.“ Die Akteure all dieser Bewegungen würden eine „entscheidende Rolle beim sanften
Umsturz“ spielen.
Die
„Verführung“ der
iranischen Jugend oder die Sehnsucht nach Freiheit
Die iranische
Jugend werde mit solchen Methoden
dazu angehalten „fremden Medien“ zu folgen und nicht
mehr auf die iranischen Medien zu hören.
Die Experten des iranischen
„Parlaments“ haben
offenbar keinen Kontakt mit der
städtischen Jugend, die nach Freiheit dürstet.
Die Studie
des iranischen Parlaments nennt ausdrücklich die Soros-Stiftung, die die meisten Nachrichtenagenturen und Zeitungen weltweit leite. Die Strategie dieser Stiftung, deren Iran-Abteilung von Frau
Hale Esfandiari geleitet werde, sei nach
eigenen Aussagen der Stiftung in Georgien erfolgreich gewesen und werde auch woanders umgesetzt.
Das Ziel sei einen „zivilen Ungehorsam“ herbeizuführen.
Tatsächlich hat auch das Europäische Parlament im Januar 2008 entschieden, Ausgaben von rund 5 Millionen Euro für ein persischsprachiges
Fernsehen zu genehmigen. Diese Entscheidung des EU-Parlaments gilt für das iranische Parlament als „Subversion“ und wird nicht als
ein politischer Wille zur Förderung
der Demokratie wahrgenommen.
BBC
gefährlicher als
Voice of America (VOA)
In der
Studie des iranischen „Parlaments“ kann
man nachlesen, dass BBC
Persian gefährlicher sei als VOA. Der Grund
sei, dass BBC sanfter vorgehe und mehr den Eindruck erwecke objektiv zu sein. BBC versuche nicht
direkt nur eine Position zu propagieren, sondern indirekt würden in Analysen bestimmte Inhalte vermittelt. Zudem beschäftige sich BBC mit gesellschaftlichen
Themen, die VOA weniger interessieren.
Die Autoren
der Studie gehen davon aus,
dass u.a. BBC den Regeln einer „medialen
Diplomatie“ folge, die ein Instrument der nicht-offiziellen Diplomatie darstelle und als „psychologische Operationen“ bezeichnet werden.
VOA verfolge dagegen eine direktere Strategie und versuche die unzufriedenen Zuschauer anzusprechen.
Iranische
Experten sprechen von einem großen medialen
Krieg
Befürchtet wird abschließend
eine Georgisierung der Islamischen Republik Iran.
Die sanften Umsturzversuche
mittels moderner Medien seien eine
Realität und keine Verschwörungstheorie, meinen die iranischen Experten.
Die westliche
Medienpolitik könne nur bekämpft werden,
indem die einheimischen Sendungen bessere Qualität bekommen.
Die Spezialisten
gestehen, dass eine Bekämpfung der multimedialen Sender per Satellit und im Internet letztlich nicht möglich sei, daher
könne nur die einheimische Konkurrenz die iranische Jugend davon abhalten die ausländischen Sendungen zu schauen. Für
die Unzufriedenheit der Bevölkerung, die im „Zuge der Propaganda der westlichen Medien entsteht“, müsse eine Lösung
gefunden werden.
Die Autoren
sprechen von einem „großen medialen Krieg zwischen dem Westen
und dem Iran“.
Tatsache ist, dass
Internet und Satellitenfernsehen es
jedem in den entferntesten Regionen des Landes lebenden Iraner erlauben, in den Genuss westlicher Aufklärung zu kommen. Die totalitäre Diktatur versucht bislang nicht wirklich erfolgreich die offene Gesellschaft der neuen Kommunikationsmedien zu kontrollieren.
Im „Krieg der Werte“ werden,
wie die Erfahrungen aus den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts gezeigt haben, Bedürfnisse nach Freiheit sogar bei den Nachfahren der rückschrittlichsten Anhänger der absoluten
Herrschaft des Klerus erzeugt.
IRNA greift die Friedrich-Naumann-Stiftung
an
Die iranische
Nachrichtenagentur IRNA hat
am 28. April mit ähnlichen Vorwürfen wie oben beschrieben
eine Konferenz der Friedrich-Naumann-Stiftung für Freiheit und der Gesellschaft für bedrohte Völker
attackiert.
Die IRNA
schreibt über die Konferenz: „Die neue Phase der intrigenhaften Politik des Westens gegenüber den iranischen Völkern hat begonnen.“
Der Westen wolle
die „Ruhe und Freiheit“ der iranischen
Völker stören. Das menschenrechtliche Thema der Konferenz ist: "Nationalitätenfrage
und Demokratie im
Iran".