Warum Obama irrt
von Ansgar Graw,
Politikredakteur
05.04.2009
Barack
Obama irrt in seiner Forderung,
eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Dies ist
eine Forderung, die sehr gefährlich sein kann.
Der Präsident hat Recht – und der Präsident irrt: In seiner Prager Rede wies
Barack Obama richtigerweise auf die Gefahr des neuen atomaren Wettrüstens und das wachsende Risiko des Einsatzes von Nuklearwaffen hin. Aber falsch
ist seine Forderung, deshalb zu einer atomwaffenfreien
Welt zu kommen. Der Beifall, den Obama auch von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier
bekam, verstärkt eine Illusion, die nicht zu einer besseren,
sondern zu einer gefährlicheren Welt führen würde.
Zwar
wäre es (zumindest in der Theorie) denkbar, sämtliche atomare Sprengköpfe weltweit zu verschrotten. Das Wissen aber um die
Produktion von Nuklearwaffen
lässt sich nicht abwracken. Und Obamas Angebot, die Teilhabe an der
friedlichen Nutzung der Nukleartechnik auszuweiten, unterstreicht diesen Aspekt. Denn der Weg
von der zivilen zur militärischen Atomspaltung ist
kurz. Wer möchte die Gewähr dafür geben, dass
nicht in einem besonders unseriösen Winkel einer nuklear
entwaffneten Welt der Ausstieg aus dem
Ausstieg beschlossen würde? Die Beinahe-Atommacht Syrien und der bis zu
den Zähnen gerüstete Hungerleider-Staat Nordkorea haben demonstriert, dass sich derartige
Programme recht diskret organisieren lassen.
Der Verzicht auf die Atombombe
Gefährlicher würde die Welt auch, weil der
Verzicht auf die Atombombe,
deren politische Logik nach Hiroshima und Nagasaki
in ihrer Nicht-Nutzung bestand, die konventionelle Rüstung ankurbeln würde. Wo Abschreckung
schwindet, wächst die Bereitschaft zum Waffengang mit Panzern, Bombern und Infanterie. Oder gar mit B- und
C-Waffen.
Gleichwohl ist
Obama Hinweis auf die Gefahren
einer zunehmenden Verbreitung von A-Waffen wichtig. Sollte etwa der schiitische
Iran die Bombe entwickeln, würde
das sunnitische Saudi-Arabien
gleichziehen wollen, möglicherweise auch die benachbarte Türkei. Darum müssen Nichtverbreitung und die maßgebliche Reduzierung bestehender Atomarsenale Ziele der Politik
sein, nicht aber „global zero“. „Mehr Sicherheit“ ist
wichtiger als „keine Atomwaffen“.