Braucht Obama Hillary Clinton?
By Andrea Seibel, Stellv. Chefredakteurin der WELT
15.11.2008
Barack Obama würde einen klugen
Schritt machen mit seiner Nominierung Hillary
Clintons zur Außenministerin.
Sie hat internationale Erfahrung, die ihm fehlt, und wäre eine glaubwürdige, starke Unterstützerin.
Sie ist wieder
da: Hillary Rodham Clinton, die Frau die stets mehr war und sein wird als nur
die Frau an seiner Seite, heiße
er nun Bill Clinton oder
Barack Obama. Gerüchte kursieren,
ihr sei von Barack Obama
das Amt des Außenministers angeboten
worden. Betrachtet man beide Personen und erinnert sich an ihr historisches Duell nicht nur
als an eines zwischen Mann und Frau, sondern eben zwischen schwarzem
Mann und feministischer Frau, will die Kategorie der Verliererin
nicht passen.
Berechnung gehört zur
Politik, Taktik und Machtwille allemal. Dass man dieser Frau, die ihr Leben lang
schon den Berg der Macht und des Erfolgs erklimmt, just dies vorwarf, sie so zur kalten
Karrieristin stempelte und
die weiche Unbestimmtheit Obamas verklärte, mag die Machiavellistin, die sich sogar zu
mütterlichen Tränen zwang, um menschlich zu wirken, verletzt
haben. Doch die amerikanische Kultur zeigt in Krisen eine Größe, zu
der wir Europäer
kaum in der Lage sind. Im
Moment der eigenen Niederlage sich vor dem anderen
zu verneigen und in seinen Dienst zu
stellen, Hillary Clinton tat dies (John McCain übrigens auch). Das sind keine hohlen
Gesten, sondern auch Akte der
Selbstbefreiung und der Demut. Es gibt ein Leben danach,
oder besser, das Leben geht weiter.
Hillary Clintons politisches
gewiss. Nun scheint die Aussicht auf eine neue Rolle verlockend.
Aber nicht die Vizepräsidentschaft wurde ihr angeboten, sondern die Außenpolitik, die harte Wirklichkeit: Die Welt, wie sie ist,
nicht wie man sie sich schönreden
kann. Barack Obama ahnt, dass er in dieser
Funktion eine starke, glaubwürdige und lösungsorientierte Person braucht,
so wie Bill Clinton Madeleine Albright fand. Im Wahlkampf
hat Hillary Clinton, nicht nur
im Falle Iraks, eine klarere
Sprache gesprochen als er. Und sie
kennt die Welt besser als er. Clinton wäre eine harte
Diplomatin und bewegte sich auf der globalen
Bühne mit selbstsicherer Präsenz. Das muss ein Mann, wenn auch Präsident, erst einmal aushalten.
Wird sie dem
Ruf folgen? Die Frau, die weiterhin auf eine eigene Präsidentschaft setzt, könnte spüren,
dass der Präsidentschaft Barack Obamas ein besonderer Glanz anhaftet, in dem sie sich
auch zu sonnen
gedenkt. Zwei starke Antipoden im Wahlkampf, die ihre Stärken in der Kooperation potenzieren und versöhnen. Ein zu schöner,
ein geradezu idealistischer Gedanke. Ob er Wirklichkeit werden wird?