Endlich die Bazooka auspacken
Kommentar von Ulrike Herrmann
22.11.2011
Die Summe
ist gigantisch:
Die USA haben 15 Billionen
Dollar Schulden. Doch dies scheint niemanden zu stören. Unbeirrt
schaufeln die Investoren ihr Geld nach Amerika.
Für eine zehnjährige Staatsanleihe müssen die USA nur 1,9 Prozent Zinsen
zahlen. Das ist nicht
nur wenig, sondern weniger als nichts. Denn
die Inflation liegt bei 3,53 Prozent. Also machen die Investoren sogar Verlust, wenn sie ihr
Geld in den USA anlegen.
Noch erstaunlicher: Selbst die turbulente US-Politik kann die Investoren nicht erschüttern. Seelenruhig nahmen sie am Montag
zur Kenntnis, dass sich der
Kongress nicht auf ein Sparprogramm einigen kann. Als wäre nichts geschehen, blieben die Renditen für die US-Staatsanleihen sensationell niedrig.
Da können
die Europäer nur neidisch werden. Die meisten Euroländer haben weit weniger
Schulden als
die USA - und trotzdem treibt
die Währungsunion auf den Bankrott
zu. So müssen die Spanier inzwischen etwa 7 Prozent Zinsen zahlen, was kein Land auf Dauer aushält. Dabei machen die spanischen Staatsschulden nur gut 70 Prozent der Wirtschaftsleistung
aus. In den USA hingegen sind es knapp 100 Prozent. Dennoch kann sich
Washington mühelos Billionen
leihen - während die Investoren sofort in Panik geraten, wenn sie an
Spanien denken. Oder an Belgien,
Italien und neuerdings auch Frankreich.
Selbst die Warnungen der Ratingagenturen lassen die Investoren ungerührt. Im August wurde den USA die Bestnote AAA aberkannt, die Frankreich und Österreich noch besitzen. Trotzdem genießen die USA ihre niedrigen Zinsen, während Frankreich und Österreich fast das Doppelte zahlen.
Warum werden die USA so bevorzugt? Der erste Grund ist
schlicht: Die US-Notenbank
Fed ist im Notfall bereit, unbegrenzt US-Staatsanleihen aufzukaufen, falls sich kein privater Abnehmer
findet. Die Fed versteht sich als
"lender of last resort", als Kreditgeber der letzten Instanz. Dieses Wissen beruhigt die Investoren ungemein. Sie können sich darauf
verlassen, dass ihre US-Staatspapiere garantiert bedient werden. Diese Sicherheit ist
in Zeiten unsicherer Finanzmärkte bares Geld wert - weswegen
die Investoren bereit sind, reale Negativzinsen
zu akzeptieren.
Wie anders
geht es hingegen
in Europa zu: Der Europäischen Zentralbank (EZB) ist es
verboten, unbeschränkt Staatsanleihen
aufzukaufen. Zwar hat sie inzwischen Papiere von weit mehr als
190 Milliarden erworben, doch soll dies eine befristete Ausnahme sein. So bleiben die Investoren panisch und verlangen weiter hohe Risikoaufschläge.
Denn sie rechnen jederzeit
damit, dass nach Griechenland weitere Eurostaaten einen Schuldenschnitt ankündigen könnten.
Die US-Amerikaner
sind fassungslos,
dass die Europäer auf ihre stärkste Waffe
verzichten. Schon seit Monaten fordern
US-Präsident Barack Obama und sein
Finanzminister Timothy Geithner, dass
die Europäer die "Bazooka" auspacken, das Panzerabwehrgeschoss namens EZB. Auch die amerikanische
Botschaft in Berlin erteilt
gern den Ratschlag, endlich die Fed zu kopieren.
Allerdings erklärt nicht
nur die Geldpolitik, warum die USA bei den Investoren so beliebt sind. Ein
zweiter Grund ist, dass
die USA ihre Schulden mühelos reduzieren könnten, wenn sie
denn wollten - sie müssten nur
die Steuern für die Spitzenverdiener anheben. So hat
US-Milliardär Warren Buffet schon
mehrfach vorgerechnet, dass sein durchschnittlicher
Steuersatz bei lächerlichen 17 Prozent liegt. Auch das
Budget Office des US-Kongresses hat längst ermittelt, dass eine einzige
Maßnahme reichen würde, um den US-Haushalt weitgehend zu sanieren:
Man müsste nur die Steuersenkungen für die Superreichen streichen, die der ehemalige Präsident
George W. Bush eingeführt hat.
Und schließlich
gibt es einen
dritten, sehr banalen Grund, warum die Investoren in die USA drängen: Wo
sollten sie sonst hin?! Sie können
ihr Kapital nicht auf dem Mars parken, und auf der Erde herrscht "Anlagenotstand". Wer nicht in Dollar oder
Euro investieren will, dem bleiben nur Pfund,
Yen und Schweizer Franken. Alle
drei Währungen sind jedoch
zu klein, um die Geldmassen aufzusaugen, die rund um den Globus schwirren. Deswegen hoffen die Investoren ja auch
so dringend, dass die Europäer endlich von den USA lernen und mit der EZB-"Bazooka" feuern.