Street View soll
draußen bleiben
Ganz
Deutschland wird von Google geknipst. Ganz Deutschland? Mitnichten: Gemeinden in
Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg proben
den Aufstand.
VON
INGO ARZT
Google könnte demnächst ein Bußgeld aus
Ratingen in Nordrhein-Westfalen bekommen. Die Stadt mit ihren 91.000 Einwohnern kann zwar, auch wenn
sie dies gern würde, nicht verbieten,
dass ihre
Straßen und Häuser für den neuen Internet-Dienst Street View fotografiert werden. Aber sie
kann, so denkt ihr Datenschutzbeauftragter Peter
Wacker, Geld dafür verlangen - quasi als
ein Akt des Protests.
Seit
geraumer Zeit kurven im Auftrag der
kalifornischen Suchmaschine
Autos mit Kameras auf dem Dach durch
Deutschland, um sämtliche Straßenzüge
zu fotografieren. Noch 2010 soll der Dienst
hierzulande wie in bereits 19 Ländern online gehen, dann kann
man sich mit Rundumblick virtuell durch die Straßen zoomen.
Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer wöchentlichen Videobotschaft darauf aufmerksam gemacht, dass man sein Haus
auf Antrag unkenntlich machen kann. Schärfere Gesetze will sie
aber nicht - die hatte Verbraucherschutzministerin
Ilse Aigner (CSU) verlangt.
Jurist Wacker
sagt nun, dann machen wir eben,
was in unserer Macht steht: Im Sinne
des Wegegesetzes von Nordrhein-Westfalen ist es eine Sondernutzung öffentlicher Straßen, wer eine ganze
Stadt fotografiert und damit Geld verdienen will. "Schließlich zahlt
auch jeder, der einen Marktstand
aufbaut, eine Gebühr an die Stadt", sagt er der
taz. 20 Euro pro Kilometer will er, macht bei
309 Kilometer Gemeindestraßen 6.180 Euro.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johannes Singhammer
(CSU), hat sich gegenüber der FAZ bereits
für eine derartige Gebühr ausgesprochen. Zuvor hatte auch die Gemeinde Molfsee bei Kiel Google Gebühren angedroht.
Für die Datensammler wäre der Obolus
in Ratingen eigentlich ein
fast virtuell geringer Betrag. Allerdings erkundigen sich
ständig Städte und Gemeinden bei Wacker,
wie sie dem
Beispiel folgen können. Doch die Rechtslage ist
völlig unklar. Google hat angekündigt, auf keinen Fall zahlen zu
wollen. "Die werden sich mit uns
streiten. Wenn wir einen Prozess gewinnen, würde unser Beispiel
sicherlich Schule machen", sagt Wacker.
Nach
einem Rechtsgutachten des Zentrums für Angewandte
Rechtswissenschaft in Karlsruhe für
das rheinland-pfälzische Justizministerium
müsste es Einschränkungen für Google geben. Demnach darf zwar,
vereinfacht gesagt, alles fotografiert werden, was man beim Gang durch eine Straße
ohnehin sieht. Ansonsten könnte kein Fotograf mehr
seine Arbeit verrichten. Der Einwilligung fotografierter Personen bedarf es also nicht - die sind
nur "Beiwerk" und
bewegen sich, solange sie nicht
auf dem Balkon sitzen, im öffentlichen
Raum. Google will zudem Gesichter und KfZ-Kennzeichen verpixeln.
Allerdings bemängeln die Gutachter, dass jeder die Fotos völlig unkontrollierbar mit anderen Daten
verknüpfen kann. Das Menschen anonym bleiben, weil sie
verpixelt werden, sei ebenfalls nicht
gewährleistet.
Schließlich können Freunde
und Bekannte Menschen etwa an ihrer Kleidung
erkennen - sie warnen vor "Stigmatisierung", wenn jemand in einer "besonders abträglichen Position abgebildet ist".
Im Netz kursieren Hitparaden mit den witzigsten Bildern des Dienstes, besonders beliebt das Motiv, auf dem ein Mann einen
Sexshop betritt.
Unzulässig sei zudem,
dass die Google-Kameras aus 2,9 Metern
Höhe fotografieren - und damit über die Hecke in Nachbars Garten filmen. Zudem dürfe der Konzern
selbst keine unverpixelten Rohdaten vorhalten. Das Landgericht
Köln hatte allerdings im Februar Google das Fotografieren erlaubt.
Weil es
sonst keine Handhabe gibt, gehen Gemeinden auf ihre eigene Art gegen Google vor: Kernen im baden-württembergischen
Remstal hat einen Brief, mit dem Google zum Schwärzen der
Abbildung des eigenen Hauses gezwungen werden kann, im
Gemeindeblatt zum Ausschneiden abgedruckt.
Andere Gemeinden folgten dem Beispiel. Das sorgte
für Aufmerksamkeit, und so kurvte der SWR
vergangene Woche mit einem gefälschten
"Goodle"-Mobil samt
Kamera-Attrappe durch das Dorf. Die meisten Bürger waren dagegen.
Eine ältere Dame fand jedoch
Gefallen an der Sache: "Mein Vorgarten isch schön, den darf man ruhig sehen", sagte sie.