Ende ohne Bild
Von Juliane
Schäuble
Verschwörungstheorien kursieren, ob mit oder
ohne Foto. Warum es richtig
ist, dass
Barack Obama keine Fotos zeigt vom getöteten
Osama bin Laden.
An brutale Bilder
voller Blut hat sich die Öffentlichkeit gewöhnt. Die Hemmschwelle, Leichen und Schwerverletzte, auch entstellte, im Fernsehen, im
Internet und in Zeitungen zu
zeigen, sinkt stetig. Im Internetzeitalter
bleibt nichts geheim, maximale Transparenz lautet die zeitgemäße Devise. Und auch wenn wir
sie nicht wollen, sie kommt.
Widerstand
zwecklos.
Doch das befreit
die Verantwortlichen nicht davon, sich jedes
Mal aufs Neue die Frage zu stellen,
ob und was sie genau veröffentlichen. Aus ästhetischen
genauso wie aus ethischen Erwägungen.
Barack
Obama hat das getan. Und man darf annehmen, dass er sich die Entscheidung,
ob das Bild eines mit zwei
Kopfschüssen getöteten
Osama bin Laden das Ende der Terror-Nummer eins beweisen soll,
nicht leicht gemacht hat.
Ein Bild sagt
mehr als
tausend Worte. Ja. Und schon
in der Bibel ist nachzulesen,
dass Menschen sehen wollen, um zu glauben. Aber
die Zurschaustellung des unterlegenen
Widersachers findet anders als
in früheren Jahrhunderten keinen Beifall mehr. Die Schau stößt ab, genauso
wie George W. Bushs kolportierte Forderung an seinen CIA-Chef „Bring mir den Kopf von bin Laden in einer
Schachtel“.
Obama ist angetreten, sich von seinem Vorgänger zu unterscheiden,
auch moralisch. Mit der Entscheidung,
bin Ladens Kopf nicht auf eine Lanze zu
stecken und durch die mediale Landschaft zu tragen, hat er es getan.
Denn es ist
ein Unterschied, ob die Bilder des getöteten „Most wanted“ irgendwie an die Öffentlichkeit dringen – oder ob der Jäger
die Trophäe triumphierend herumzeigt. Obama wird sich gemerkt haben,
wie groß die Kritik an Donald Rumsfeld war, als
der damalige US-Verteidigungsminister 2003 die Bilder
der toten Saddam-Söhne freigab, um letzte Zweifel auszuräumen.
Am Mittwochabend
verbreiteten die Nachrichtenagenturen
Fotos anderer in der 40-minütigen Kommandoaktion Getöteter. Im Internet sind sie
nun für alle verfügbar, die meisten Zeitungen werden darauf verzichten, sie zu drucken.
Es sind abstoßende,
erschreckende Bilder aus nächster Nähe,
die ein Mitglied der pakistanischen Sicherheitskräfte eine Stunde nach der
Aktion geschossen haben soll.
Ob sie
authentisch sind?
Möglich, sicher ist das nicht. Ein Foto
ist schon
lange kein unwiderlegbarer Beleg mehr. Montagen kann jedes
Kind erstellen. Verschwörungstheorien
kursieren, ob mit oder ohne
Foto. Darum führt die Forderung, der US-Präsident müsse den ultimativen Beweis für die Tötung des Al-Qaida-Chefs präsentieren, ins Leere. Dass bin Laden tot ist, bestreiten
nicht einmal seine Rache schwörenden Anhänger. Warum dann ein
finales Bild?
Die nun ins
weltweite Netz gestellten Männer in Blutlachen zeigen, so sie denn authentisch
sind, dass es brutal im pakistanischen
Abbotabad zugegangen ist. Bezweifelt hat das wohl niemand.