US-Spionagevorwürfe: Ohne Genierer
Christoph Prantner
30.
Juni 2013, 18:42
Dass Verbündete ausgespäht werden, ist so normal wie die systematische Überwachung von Gegnern
Die
Amerikaner hören die Europäer ab? Ja,
sie haben sogar europäische Einrichtungen verwanzt? Huch, diese Enthüllung
des Spiegel ist so "schockierend",
dass einem der Glaube an
das Gute im Geheimdienstler abhandenkommen könnte. Wie, um Himmels willen, ist das denn mit
einer langen, wunderbaren Freundschaft über den Atlantik hinweg zu vereinbaren,
mag sich eine zartbesaitete Person fragen. Dabei wäre
es in der Tat erstaunlich, wenn genau das Gegenteil der Fall wäre. Dass Verbündete ausgespäht werden, ist ungefähr so normal wie die systematische Überwachung von politischen Gegnern.
Was
wirklich verstörend ist am Prism-Skandal, der diese ganze
Debatte ausgelöst hat, ist der Umstand,
dass europäische Dienste offenbar ohne Genierer an
den amerikanischen Erkenntnissen
partizipiert haben. Und zwar ohne jegliche
Bedenken, wie diese zustande gekommen sind. Insofern gehören die Empörungskadenzen der europäischen Politiker, die natürlich nichts davon gewusst haben,
zu einer Symphonie der Bigotterie,
die ihresgleichen sucht.
Der Punkt an der ganzen Prism-Geschichte ist nicht, dass
US-Geheimdienste auch Europäer abschöpfen. Der Punkt ist
vielmehr, dass legal, aber eben völlig
illegitim, große Teile des Internetverkehrs in einer bizarren Schuldvermutung überwacht und ausgewertet werden. Mit dem vorgeblichen
Schutz von Freiheit und Demokratie hat das nur am Rande zu tun.
Mit dem Gegenteil
schon eher.