London vertritt in der EU die US-Finanzinteressen
Gerfried Sperl
11. Dezember
2011
Was die Briten
politisch am meisten nervt, ist
eine deutsch-französische Vorherrschaft in Europa
Was die
Briten politisch am meisten nervt, ist eine deutsch-französische
Vorherrschaft in Europa. Das war in der Ära Kohl-Mitterand so und jetzt wieder. Angela Merkel und
Nicolas Sarkozy haben sich zusammengerauft und regieren die EU. David Cameron wird
selten eingebunden. Das allein schon
wird in London als
Skandal empfunden.
Der britische
Premier stand beim Gipfel
in Brüssel aber auch unter enormen
innenpolitischen Zwängen. Er konnte den deutsch-französischen
Vorschlägen einer Änderung des EU-Vertrags ("Fiskalunion") nicht zustimmen, weil
er sie dem
Unterhaus und dem britischen Volk vorlegen müsste. Beide Abstimmungen würde
er verlieren.
Angela Merkel und Nicolas
Sarkozy wiederum konnten keine Ausnahmeregelungen für den "Finanzplatz London"
gestatten, weil sie sich damit
aller Chancen begeben hätten, die internationale Finanzwirtschaft unter Kontrolle zu bringen. Der britische Premier sagte es ganz deutlich:
"Die EU ist für uns im
Kern der gemeinsame Markt". Das ist ein
Nein zu einer politischen Union.
Dieser Gipfel markiert weder das Ende
des Euro noch das Ende der EU. Das Datum signalisiert das vorläufige Ende eines Einigungsprozesses, der die EU-Kommission mit einem vom
Parlament gewählten Präsidenten in eine europäische Regierung verwandeln sollte.
Das ist
jetzt Wunschdenken politischer Romantiker.
Die Wirklichkeit
wird freilich nicht nur durch
die ökonomische Dramatik bestimmt.
Auch
Camerons Labour-Vorgänger
Tony Blair hätte sich in Brüssel "denen da drüben auf dem Kontinent" nicht unterworfen. Weniger aus Rücksicht
auf die Londoner City. Stärker wegen der atlantischen Loyalität zu Washington. Die leidet momentan, weil
Barack Obama und Cameron keine Brüder
im Geiste sind. Die Wahl eines Republikaners ins Weiße Haus im
November 2012 würde das
Bush/Blair-Klima wiederherstellen.
Großbritannien spielt in allen wichtigen
EU-Gremien tragende Rollen. So jemanden
kann man weder "hinausschmeißen" (Schlagzeile
des Billigblattes Österreich),
noch verabschiedet sich eine Mittelmacht
aus ihrem "Absatzmarkt" (O-Ton Cameron) wegen
"Merkozy".
Die größere
Gefahr ist
die einer Implosion. Großbritannien hat sich nicht isoliert.
Die Regierung in London hat sogar
ein paar Trümpfe in der Hand. Der Erhalt des Euro ist
ihr kein Anliegen, Medien wie der "Economist" und
die "Financial Times", beide stark gelesen auch in Kontinentaleuropa, schreiben ihn seit Jahren
herunter. Wenn die Briten die politische Kraft der EU (Voraussetzung
für einen starken Euro) noch massiver unterminieren, wird Brüssel langsam
aber sicher eine lahme Ente.
Im
Wirtschafts- und Finanzkrieg
zwischen den USA und Europa
spielt das eine wichtige Rolle. Um ein antikes
Bild zu bemühen:
So wie es aussieht, ist
Großbritannien das trojanische Pferd der angelsächsischen Finanzinteressen mitten im EU-Europa.
Paris kaschiert
seine Schwächen durch die Allianz mit Berlin. Ob
Deutschland stark genug ist, den Briten Paroli zu bieten,
muss man bezweifeln.