Strauss-Kahn ist
nicht zu retten
Thomas Mayer
16. Mai 2011, 19:56
Die Europäer
müssen im eigenen Interesse blitzartig einen neuen IWF-Chef küren
Frankreichs Sozialisten sind im Schockzustand: Nach der Verhaftung von Dominique
Strauss-Kahn haben sie niemanden, der das Charisma ihres früheren Finanzministers "DSK" aufbringt, um den Konservativen Nicolas Sarkozy bei
den Präsidentschaftswahlen 2012 zu
schlagen.
Aber was die gallische PS schmerzt, ist
im Rest von Europa kaum von Belang. Dennoch hat der Absturz des Chefs des Internationalen
Währungsfonds auch für die EU - besonders
die schwer überschuldeten Länder im Süden
- große Bedeutung. In gewisser Weise muss das sogar Sarkozy beunruhigen, der seinen gefährlichsten Gegenspieler los ist. Denn
jeder französische Staatspräsident spielt in der Union neben der deutschen Kanzlerin
die zentrale Rolle bei der Bewältigung
der Euro-Krise (wobei Sarkozy derzeit auch noch den Vorsitz
bei den G-8-Staaten und den G-20 führt,
den wichtigsten Wirtschaftsmächten
der Welt).
In der
Weltfinanzkrise seit 2008
und bei der Schuldenkrise im Euroraum hat sich DSKs Währungsfonds mit der Europäischen
Zentralbank eine bisher nicht gekannte
wirtschaftliche und politische
Schlüsselposition erarbeitet.
Ohne ihn hätten die Europäer milliardenschwere Rettungspakete kaum schultern können. Darin liegt
das Verdienst des Weltbürgers Strauss-Kahn.
Er meisterte es scheinbar mühelos,
die Kulturunterschiede zwischen
den Bankern anglo-amerikanischer
Prägung im IWF, die traditionell auf brutale Einschnitte setzen, und den weicheren europäischen Finanzpolitikern auszugleichen. So gelang es, für Griechenland,
dann für Irland und nun für Portugal Restrukturierungen zu planen, die auch soziale Abfederungen für die Schwächsten und arbeitsplatzstimulierende Elemente
für Junge enthalten. Hätten EU, EZB und IWF
nicht so friktionsfrei agiert, wie sie
es taten, Europa könnte es
weit schlechter gehen als
ohnehin.
Strauss-Kahn erwies sich als ideales Bindeglied bei höchst unterschiedlichen Problemzugängen. Wenn er jetzt, da es
um Griechenland wieder kritisch wird, handlungsunfähig ist,
trifft das Europa zur allerschlechtesten
Zeit. Hier muss man nun befürchten,
dass die Schwellenländer sich zusammentun, um erstmals einen Nichteuropäer an die IWF-Spitze zu hieven. Das
sollten die EU-Partner in ihrem eigenen Interesse
tunlichst verhindern, indem sie sich
blitzartig auf einen Nachfolger für Strauss-Kahn einigen.
Denn der - ein
bekannter "dragueur",
wie die Franzosen sagen, einer, der
an schönen Frauen nicht regungslos vorbeikommt - ist nicht mehr
zu retten, auch wenn seine Fans noch so oft die Unschuldsvermutung
bemühen. Ein IWF-Chef, der von New Yorker Polizisten wegen eines Vergewaltigungsverdachts in
Handschellen vorgeführt wird, ist
politisch erledigt. Es hat sich offenbar bewahrheitet, was der Libération -Journalist Jean Quatremer
zu seiner Bestellung 2007 schrieb: DSKs einziges Problem ist sein Verhältnis
zu Frauen, er sei "zu aufdringlich,
kommt oft an die Grenze der Belästigung". In Frankreich ginge
das durch, aber nicht in einer
angelsächsisch geprägten
Institution in Washington. Vorbei.
Nach dem flamboyanten
Franzosen böte sich ein biederer
Deutscher an: Peer Steinbrück.
Der könnte morgen
anfangen. Als roter Ex-Finanzminister der großen Koalition mit Merkels CDU bringt er alles
mit, was man fachlich braucht, um den IWF durch schwere Zeiten
zu führen. Die USA würden ihn wohl
akzeptieren. Es wäre auch ein Signal an die um einen harten Euro besorgten Deutschen.