Zur Partnerschaft
verdammt
19. Jänner
2011, 18:33
Die USA und China misstrauen einander und sind dennoch
zur Kooperation genötigt
Lächeln, lächeln und noch einmal lächeln. Das ist
nicht nur das diplomatische Rezept, mit dem Barack Obama und Hu Jintao einander
begegnen. Es ist
auch ein Ausdruck der Unsicherheit
und des Misstrauens, das die einzig
verbliebene Supermacht und ihr kommender Herausforderer
gegeneinander hegen.
Hinter dem Wolfslächeln verbirgt sich Rivalität,
natürlich.
Allerdings ist
die gewiss nicht mehr jene des Kalten
Krieges, wie es Präsident Hu
im Vorfeld seines Staatsbesuches in den USA angedeutet
hat. China ist kein Alternativsystem mehr zu den USA, es ist längst
selbst ein Champion des globalisierten Kapitalismus geworden - mit allen Konsequenzen und allen daraus entstehenden
gegenseitigen Abhängigkeiten.
Beispiel Dollarkurs und US-Staatsanleihen: In den Vereinigten
Staaten fürchten viele, dass Peking die notorisch verschuldeten USA einfach aufkaufen könnten. Dabei herrscht in dieser
Frage so etwas wie ein Gleichgewicht
des finanziellen Schreckens.
Die Bank of China hält mehr
als zwei
Billionen Dollar als Devisenreserven. So wie sie kein Interesse
hat, den Yuan, wie von den USA gefordert,
um zehn Prozent aufzuwerten, hat sie auch kein gesteigertes
Bedürfnis, den Dollar durch
Krisen aller Art auf Talfahrt zu schicken.
Beides würde gewaltige Verluste verursachen. Dazu geht ein
guter Teil der Exporte des Ausfuhrweltmeisters China in die Vereinigten
Staaten, und die Amerikaner
ihrerseits wollen wiederum ihre Direktinvestitionen
in China erhöhen.
Amerikaner und Chinesen mögen in vielerlei Hinsicht nicht besonders gut miteinander können - Stichwort Menschenrechte oder
Aufrüstung. Trotzdem sind sie
zu einer Partnerschaft verdammt, deren vorsichtige und unbeholfene Anfänge dieser Tage in Washington zu beobachten sind.
Von einer
G-2, den großen, wirtschaftlich
starken zwei, die die Welt praktisch im Alleingang regieren
und selbst die G-8 und die G-20 nur
als politische Staffage brauchen, ist diese Kooperation
allerdings noch meilenweit entfernt. Denn dafür ist Washington noch nicht schwach und Peking noch nicht stark genug.
Ob es je dazu kommen
wird, bezweifeln nicht zuletzt chinesische
Forscher stark. Da Wei, Professor am Chinesischen Institut für Internationale
Beziehungen in Peking, schrieb
unlängst, dass die USA ihre Hegemonie durch ihre Ideologie
absichern werden, weil sie dadurch
imstande seien, Demokratie und Marktwirtschaft als Normfall zu
definieren. China dagegen falle dabei nur
die Rolle des "Schülers"
zu. Wenn China das nicht begreife, werde sein Aufstieg
nie mehr als ein materieller sein.
Dass Obama und Hu heute ideologisch die Klingen kreuzen und weiter als
auf kurze Sicht planen, ist unwahrscheinlich.
Für sie ist es schon
Herausforderung genug, den Annäherungsprozess zu starten, in Gang zu halten und nicht aus dem Ruder laufen
zu lassen. Denn im Gegensatz
zu den politischen Führern beider Länder bewerten die jeweiligen Öffentlichkeiten die komplexen Verhältnisse ein wenig schlichter.
In Amerika fürchtet
man sich vor der gelben Gefahr,
in China lässt ein oft von offizieller Seite geschürter Nationalismus kein gutes Haar
an den USA.
So gesehen mag ein
Lächeln in den amerikanisch-chinesischen
Beziehungen vielleicht unverbindlich und unbeholfen sein. Das schlechteste Zeichen ist es -
auch für Europa - nicht. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe,
20.1.2011)