An der Demokratie verzweifeln
von Krisen
Frey
29. August 2010, 11:10
Ob USA oder
Österreich – der Mehrheitswille führt zu oft zu destruktiven
wirtschaftspolitischen Entscheidungen
Demokratie ist zweifellos
die beste – genauer gesagt: die am wenigsten schlechte – aller möglichen Regierungsformen. Aber manchmal kann man an ihr verzweifeln.
Etwa in den USA: Dort steuern
die Demokraten unter Präsident Barack Obama bei den kommenden Kongresswahlen auf eine vernichtende Niederlage zu. Schuld daran sind
die schlechte Wirtschaftslage
und die hohe Arbeitslosigkeit.
Diese Krise hat Obama von seinem Vorgänger George W. Bush geerbt. Er hat mit seinen Konjunkturpaketen
gegengesteuert, doch dies
hat nicht genug genutzt.
Wenn Obama einen Fehler gemacht hat, dann diesen, dass
er noch mehr
Geld hätte ausgeben und das
Defizit, das bereits bei zehn Prozent
des BIP liegt, noch etwas höher
treiben müssen. Doch das war politisch einfach nicht möglich.
Das skurrile
an der US-Politik ist, dass die Opposition gegen Obama nicht etwa von links kommt, von Arbeitslosen, die mehr Aktivität zur Belebung
der Wirtschaft fordern, sondern von rechts. Obama werden die Arbeitslosigkeit und die hohen Defizite vorgeworfen – das
Problem und die ergriffenen Gegenmaßnahmen,
wie Infrastrukturausgaben,
Geld für marode Bundessstaaten und eine Verlängerung der Arbeitslosenunterstützung.
Jeder vernünftige Ökonom kann bezeugen,
dass die Arbeitslosigkeit noch viel höher
wäre, wenn sich die Republikaner mit ihrer Wirtschaftspolitik
durchgesetzt hätten. Ohne die noch von Bush unternommene Bankenrettung und Obamas Konjunkturpakete wäre die US-Wirtschaft wahrscheinlich in eine Depression
wie in den 30er Jahren geschlittert.
Nun ist
es schwer, öffentlichen Applaus für Krisen einzufordern,
die man verhindert hat. Aber
dass der populistische Widerstand der Tea-Party-Führer Sarah Palin
und Glenn Beck sowie der großen Mehrheit der Demokraten gegen Obama wirtschaftspolitischer
Unsinn ist, das müsste doch eigentlich
jedem halbwegs intelligenten Bürger einleuchten.
Die Hundertausende,
die sich am Samstag in
Washington unter Becks und Palins
Führung versammelt haben, um Obama als schwachen und tyrannischen Sozialisten zu verdammen, gehören wohl nicht
zu dieser Gruppe. Aber die Millionen von Wählern, die 2008 noch für Obama gestimmt haben und jetzt zu Kandidaten
tendieren, die genau das Gegenteil versprechen, sind nicht alles
fanatische Dumpfbacken.
Die Mehrheit der Amerikaner wird im November wahrscheinlich gegen ihre eigenen Interessen
und die ihres Landes stimmen. Das ist nicht ungewöhnlich –leider.
Wie eine Reihe
von Wissenschaftlern über
die Jahre – von Anthony Downs bis
Bryan Caplan, der Autor des wunderbaren Buches „The Myth of the Rational Voter: Why Democracies
Choose Bad Policies“ neigen Demokratien
immer wieder zu falschen und destruktiven politischen Entscheidungen, die allerdings für die Masse attraktiv klingen.
Und das ist
nicht nur ein amerikanisches Phänomen. Wenn man vergleicht, was in Österreich Experten für die Steuer-, Budget- und Sozialpolitik
empfehlen und was dann meist herauskommt, muss man an ein ähnlich pessimistisches
Urteil über die Gestaltungsfähigkeit der demokratischen Politik gelangen: nicht reformierbarer Föderalismus, Hacklerpensionen ohne Ende, offene Unis
ohne Gebühren und ohne Qualität – all das ist der wahre
Wille der Mehrheit.
Und es
ist leider zu erwarten, dass
auch die Krise daran nichts ändert
und das Budget 2011 entsprechend aussehen
wird: eine Mischung aus Steuer-
und Sparmaßnahmen, die alle
nur gemeinsam haben, dass sie
am wenigsten Widerstand in der Bevölkerung auslösen, ohne dass sie die langfristigen
wirtschaftlichen Chancen
des Landes verbessern.
Auch bei uns kann
man an der Demokratie verzweifeln – selbst wenn man weiß, dass es
keine bessere Alternative gibt.