Donald Trump und die Folgen
Wahlkampf der Wahnwitzigen
Von Marc Pitzke,
New York
Donald
Trump bewirbt sich ums Präsidentenamt - und keilt gegen Barack Obama. Erst zweifelte er dessen Geburt
in den USA an, nun die akademische Laufbahn. Hinter dem
Unfug steckt Kalkül - der Immobilienhai
flirtet mit dem rechten, rassistischen
Wählerrand. Der Wahlkampf 2012 dürfte bitter werden.
Donald
Trump lässt nicht locker. Unbeirrt tingelt er durch
New Hampshire, den Ground Zero jedes US-Wahlkampfs. Mit schwarzem Helikopter und schwarzer Stretch-Limousine absolviert
er das Pflichtprogramm
des Möchtegern-Politikers und durchkämmt
die Täler des "Granitstaats",
auf steter Hatz nach Wählerstimmen und Gratis-Publicity.
Da schneit
er in den Roundabout Diner, ein
Lokal in Portsmouth, und klopft
den verschreckten Gästen ungefragt auf die Schultern. Da schimpft er vor
den Mitarbeitern der Militärzubehörfirma Wilcox auf die böse
Industriemacht China. Da schaut
er im Kaffee-
und Tortenhaus Popovers vorbei,
beim Delikatessenladen
Maine-ly New Hampshire und, selbstredend,
beim Juwelier Bellman. Und überallhin folgen
ihm Heerscharen Reporter, Fotografen, TV-Übertragungswagen.
"Sie sagen mir, dass es
sowas noch nie gegeben habe",
triumphiert er über den Aufmarsch der Journalisten. "Ich fühle
mich sehr geehrt."
Das ist
typischer Trump-Hype - und eine
zweifelhafte Ehre. Denn die US-Medien interessieren sich weniger für Trumps politische Positionen. Oder für die Ironie,
dass er China vorwirft, die USA "zu vergewaltigen", obwohl der Großteil seiner
eigenen Trump-Produkte (Hemden, Schlipse, Plüschbären) selbst stolz das Etikett
"Made in China" trägt.
Nein, die Medien
hier lechzen nach etwas anderem:
dem nächsten Trump-Absurdikum.
Der Immobilienhai
und Spekulant hat sich im gärenden Vorwahlkampf
der US-Republikaner schnell an die Spitze
gesetzt - als Polit-Clown, Lachnummer und Karikatur seiner selbst. Das gar nicht so Spaßige daran: Damit bestimmt
Trump den Ton. Denn dass eine solche Luftnummer
wie er die Nachrichtenlage so bestimmen kann, sagt viel
über den politischen Zustand Amerikas aus.
Ohne sich bisher
formal als Kandidat erklärt zu haben,
hat es Trump geschafft, das Rennen ums Weiße Haus schon
jetzt und mit Hilfe der willfährigen
Medien weit in den Schlamm zu ziehen.
Sein absurder Vorwurf, Präsident Barack Obama sei womöglich gar nicht in den USA geboren, veranlasste diesen dazu, seine Geburtsurkunde zu präsentieren. "Ein Tiefpunkt im
politischen Leben Amerikas", befand die
"New York Times". "Peinlich" und
"beunruhigend", sekundierte
die "Washington Post".
Doch das war erst
der Anfang. Kaum ist
die "Geburtsdebatte" beendet,
kommt der nächste Aufreger: Jetzt will Trump Obamas Uni-Jahre nach Ungereimtheiten
durchstöbern. Der Präsident, so habe er gehört, sei
"ein miserabler
Student" gewesen - wie
sei so einer nur auf die juristische Fakultät gekommen?
Hinter dem Unfug steckt
Finstereres. Trumps jüngste Behauptung,
Obama sei nicht "schlau" genug, um in Harvard
studiert haben zu können, sei
nichts anderes als "hässlicher Rassismus", poltert Bob Schieffer, der legendäre CBS-Mann: "Das ist eine Chiffre
für den Vorwurf, er sei nur
in die Law School gelangt, weil
er schwarz ist."
Willkommen im US-Präsidentschaftswahlkampf , zumindest zu dessen
greller Ouvertüre. Wer glaubte, der
letzte Durchgang vor vier Jahren
sei tief unter die Gürtellinie gerutscht mit seinen
eskalierenden Tiraden und rassistischen Untertönen, der muss nun neue Negativrekorde fürchten.
Denn Trump spricht aus, was die zornige Minderheit rechtsaußen denkt, ohne Filter, Scham oder
Sinn für Umgangsformen. Fröhlich sticht er in ein Wespennest,
bedient die rassistischen Klischees jener Amerikaner, die die
Wahl eines Schwarzen zum Präsidenten bis heute nicht
akzeptiert haben.
Der abstruse Zank um Obamas Herkunft - eigentlich kalter Kaffee von 2008, den Trump
für seine Zwecke neu aufgewärmt hat - war da nur der Auftakt,
der erste Warnschuss in einer Schlacht, die bitter werden dürfte. Die Republikaner spielen das durchsichtige
Spiel fröhlich mit: Sarah
Palin nannte die längst ausgeräumte Geburtsfrage unverändert "legitim",
und auch John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses,
weigerte sich, Obamas US-Geburt für verbrieft zu
erklären: "Das amerikanische Volk hat das Recht, zu glauben,
was es will."
"Warum
dauert das so lange?"
Und das
tut es auch
weiter, allen
rationalen Indizien zum Trotz. In der
jüngsten Gallup-Umfrage erklärten diese Woche immer noch
nur 38 Prozent der Befragten, sie seien sich
"sicher", dass
Obama in den USA geboren sei.
Kuriose Fußnote: In selbiger Gallup-Erhebung bekundeten kaum mehr (43 Prozent) die gleiche Gewissheit über Trumps US-Geburt. Verschwörungstheorien wuchern überall.
Sicher, das ist nichts Neues in Amerika. John F. Kennedys Ermordung 1963, der Absturz des TWA-Flugs 800 von 1996, die Terroranschläge des 11. September 2001: Kein
nationales Trauma, für das nicht bald "alternative Szenarien" erdacht wurden. Und für den rechten Sumpf war Obamas Wahl ein ebensolches Trauma.
Der Glauben
an düstere Machenschaften eint diese Gruppen. Er wird zum
"Bestandteil ihrer Identität", wie Joel
Achenbach in der "Washington Post" schreibt. So dass
der klare Gegenbeweis - in diesem Fall Obamas reale US-Geburtsurkunde - daran nichts ändern kann.
Also geht der
Zirkus weiter, auch nach Obamas
herabwürdigender Offenbarung.
Die Reaktion seiner Widersacher ist
bezeichnend.
"Warum
dauerte das so lange?", grummelt
Newt Gingrich, ebenfalls ein
Kandidat in spe, und sät neue Zweifel
an Obamas Legitimität:
"Das Ganze ist merkwürdig." Andere beharren, das Dokument
sei gefälscht, getürkt, manipuliert, etwa der texanische
Republikaner Leo Berman. "Es
wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet", findet Joseph Farah, der Chefredakteur der rechten Website "WorldNetDaily" und ein
Top-Protagonist der schrillen
"Birther"-Bewegung.
"Ich
war schockiert"
Es ist
kein Zufall, dass die kalifornische Kommunal-Republikanerin und Tea-Party-Aktivistin
Marilyn Davenport vorige Woche
eine E-Mail verschickte mit einem "Familienporträt" der Obamas, das Schimpansen
zeigte. Unterschrift:
"Jetzt wisst ihr, warum keine
Geburtsurkunde."
Davenport hat sich inzwischen entschuldigt: Sei doch alles nur
"Satire" gewesen. Aber die Adressaten
haben ihre Botschaft zweifellos verstanden. Der US-Bürgerrechtler
Jesse Jackson spricht von "codierter
und unterschwelliger Rhetorik,
die rassistische Angst aufrühren
soll". In die gleiche Kerbe stießen frühere
Behauptungen, Obama sei ein Muslim. Es dürfte nicht lange
dauern, bis auch die wieder recycelt werden.
Ob Trump sich
der Tragweite seiner Worte bewusst
ist, bleibt
unklar. Er ist Polit-Novize
und noch unerfahren mit den rhetorischen Feinheiten des Geschäfts. Dass er ein Rassist
sei, streitet er jedenfalls ab
- mit dem abgegriffenen Schwur, seine besten Freunde seien Schwarze. So berichtet Charles Blow, ein schwarzer Kolumnist der "New York Times", von seiner
irritierenden ersten Begegnung mit Trump: Bei einer Cocktail-Party sei er Trump vorgestellt
worden, woraufhin der ihm sofort
aufgedrängt habe, "wie sehr ihn
Schwarze lieben". "Ich war schockiert
- mein Gesicht gefror zum Grinsen",
schreibt Blow. "Wieso das Gerede?
Wieso ich?"
Immerhin, es gibt auch warnende Stimmen
im Chor der
Krassen.
New Yorks Bürgermeister
Bloomberg, ein Ex-Republikaner
und nunmehr Unabhängiger, verwahrt sich gegen
die Obama-Hetzkampagnen. "Die Republikaner machen einen furchtbaren Fehler", sagte er auf Fox News. "Wir haben Einwanderung, wir haben das
Defizit, wir haben die Wirtschaft. Das sind die Sachen,
die die Leute sorgen."
Aber auch Bloomberg hat die Crux
erkannt. "Ein jeder kann sich
um die Präsidentschaft bewerben."
Willkommen im Wahnwitz-Wahlkampf.