Obamas Hoffnung
Damir Fras
Nun wird
US-Präsident Barack Obama also vorgehalten,
er habe es
versäumt, den Sinn des Krieges
in Afghanistan zu erklären.
Natürlich: George W. Bush hätte
das auf seine so unangenehm wirkende
Art tatsächlich getan. Er hätte von der
Demokratisierung schwadroniert;
von ein paar mehr Mädchen, die zur Schule gehen
können; von ein paar mehr Frauen, die es besser hätten
als vorher; et cetera, et
cetera. Ein Tonfall, wie ihn auch
der frühere deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung gerne
anschlug, wenn er über Afghanistan sprach. Es ist
aber viel sympathischer und obendrein realistischer, dass Obama genau das nicht macht.
In seiner Rede
vor Kadetten der US-Militärakademie West Point
hat Obama den Sinn des Krieges nicht
erklärt, er hat aber ein Ende
des Krieges angedeutet. Schon 2011 sollen die ersten amerikanischen Soldaten den Heimweg aus Afghanistan antreten. Damit dies geschehen kann, schickt Obama erst noch 30 000 neue Soldaten nach
Afghanistan - in einen Krieg, der
militärisch nicht zu gewinnen ist,
aber mit mehr Militär wenigstens
beendet werden könnte.
Das ist nicht mehr als eine
Hoffnung. Überdies eine, die auf den Wunsch Obamas, wiedergewählt zu werden, gerichtet
ist. Aber
Hoffnung ist
das Letzte, das geblieben ist in dem afghanischen
Schlamassel, der seit acht Jahren
andauert. Und warum sollte - mutatis mutandis - nicht
klappen, was 2007 im Irak funktioniert hat? Obamas Plan kann erfolgreich sein, nach massivem militärischen
Druck und massiver Erhöhung der zivilen
Hilfe dem afghanischen Staat letztlich schrittweise die Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übergeben. Kann
heißt nicht wird, aber mehr
ist einfach
nicht drin.
In Afghanistan sagt man sich: Die Amerikaner haben Uhren, die Taliban aber haben Zeit. Das stimmt. Aber gerade deswegen
richtet die Nennung eines Datums für
den Beginn des internationalen
Rückzugs keinen zusätzlichen Schaden an. Entweder sind
die Taliban und andere Aufständische
bis dahin so geschwächt, dass sie keine Gefahr
mehr darstellen oder nicht. Entweder
haben sich bis dahin
genügend Aufständische auf
die Seite der afghanischen Regierung geschlagen, weil ihnen Geld und Teilhabe an der Macht geboten
wurden, oder eben nicht. Eine
Garantie, dass das eine oder
das andere eintreten wird, gibt es
nicht.
Es gibt
aber Möglichkeiten, die Entwicklung
positiv zu beeinflussen. Möglichkeiten, die sich auch der
deutschen Bundesregierung bieten. Wenn sie
- wie Obama - der Ansicht ist,
dass Afghanistan uns alle angeht. Das müssen nicht unbedingt
nur militärische Beiträge sein. Die 4 500 Bundeswehr-Soldaten, die derzeit im Norden Afghanistans
stationiert sind, haben zuletzt mehr
mit ihrem Selbstschutz und mit der Bewältigung des Luftangriffs auf zwei Tanklaster in Kundus zu tun gehabt,
dem zahlreiche Zivilisten zum Opfer fielen, als
mit der Entwicklung
des Landes. Daran würde sich nicht
viel ändern, wenn zusätzlich noch 2 000 deutsche Soldaten entsandt würden. Man könnte sie natürlich
zum Kämpfen in den Süden oder
Osten des Landes schicken. Aber erstens können das die Amerikaner besser, und zweitens scheut die Bundesregierung vor der - militärisch konsequenten, doch in Deutschland
nicht vermittelbaren - Entscheidung zurück.
Bleibt die Hilfe für den zivilen Sektor, die Ausbildung afghanischer Polizisten etwa. Da hat Deutschland den größten Nachholbedarf aller in Afghanistan engagierten Staaten. Wenn das Wort Versagen eine Steigerungsform
bräuchte, wäre dafür ein treffende
Formulierung schnell gefunden. Sie hieße:
Polizeiausbildung in deutscher
Hand. Als Deutschland die Angelegenheit
noch als "lead
nation" verantwortete, gelang
es nicht, mehr als ein
paar Dutzend Polizeiausbilder nach Afghanistan
zu schicken. Nun, da sich Deutschland in ein EU-weites Projekt
eingereiht hat, sieht es nicht viel
besser aus.
Die Bundesregierung
versteckt sich seit Jahren hinter den Kompetenzen der Bundesländer, die für die Polizei zuständig sind. Seit
Otto Schily hat es jeder Bundesinnenminister versäumt, in den Ländern ausreichend um Beamte für die Polizeiausbildung in
Afghanistan zu werben.
Dabei ließe sich
das Debakel vielleicht noch abwenden. Seit Jahr und Tag fordern Experten die Entsendung Hunderter, wenn nicht Tausender
von Feldjägern nach
Afghanistan. Diese Kreuzung
aus Soldat und Polizist ist
am besten geeignet, in
Afghanistan eine Truppe aufzubauen, die der französischen Gendarmerie oder
den italienischen Carabinieri
ähnelt. So eine Truppe brauchen die Afghanen, um wenigstens einigermaßen für die Sicherheit im eigenen
Land sorgen zu können.
Das wäre
ein Beitrag, mit dem die Bundesregierung
den Obama-Plan tatsächlich unterstützen
könnte. Die Debatte ist allerdings
in Deutschland kaum zu hören. Die Bundesregierung belässt es dabei,
Entscheidungen zu verschieben. Durchwursteln war aber noch nie
die richtige Taktik - auch in Situationen nicht, in denen nur noch die Hoffnung
bleibt.
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Wenn das Wort Versagen eine Steigerungsform bräuchte, wäre dafür ein treffende
Formulierung schnell gefunden. Sie hieße:
Polizeiausbildung von Afghanen
in deutscher Hand.