July 5, 2008
Von Jochim Stoltenberg
Mit einem großen
Volksfest rund um die neue Botschaft am alten Platz, dem Pariser, öffnet sich Amerika wieder
für die Berliner. Nach Jahren der Abschottung
hinter Betonblöcken und stacheldrahtbewehrten
Stahlzäunen zeigt die westliche Supermacht endlich wieder Flagge in Berlin, ist Teil der "guten Stube" der Hauptstadt zwischen Brandenburger Tor und dem "Adlon" geworden.
Es wurde höchste Zeit.
Amerikas Ruf und Anziehungskraft
hat in den letzten Jahren arg gelitten. Das hatte mit politischen
wie militärischen Entscheidungen zu tun. Und natürlich mit einem Präsidenten,
dessen Sendungsbewusstsein
und oft radikale Rhetorik auch viele Deutsche verstörten. Die Folge ist eine höchst
bedenkliche Abkühlung in
den Beziehungen zu den USA.
Nicht gegenüber Land und Menschen, schon gar nicht gegenüber den gemeinsamen Wertevorstellungen
von Freiheit, Demokratie
und Menschenrechten. Aber eben sehr stark gegenüber dem Präsidenten
der vergangenen acht Jahre und dessen Administration. Es gilt, verlorene
Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Die neue
Botschaft neben dem Brandenburger Tor, genau dort, wo
einst die Mauer Berlin,
Deutschland und Europa teilte,
ist ein idealer
Ort dafür. Er symbolisiert den Sieg der Freiheit über
Diktatur und Unterdrückung.
Er erinnert daran, dass das unmöglich Erscheinende möglich ist, wenn
ein Ziel (Wiedervereinigung) beharrlich verfolgt wird und man verlässliche Verbündete (Amerika) an seiner Seite weiß. Bei
allem notwendigen Erinnern ist Nostalgie
allein zu wenig. Von dieser Botschaft muss - völlig losgelöst von ihrer umstrittenen Architektur - ein Signal für die Zukunft ausgehen: Amerika verlässt die durch die obwaltenden terroristischen Umstände aufgezwungene Festung, öffnet sich, zeigt
in Deutschlands Hauptstadt wieder Flagge, wirbt offensiv zumindest um Verständnis für seine Rolle als letzte Supermacht.
Nirgends in der Welt hat Amerika die sich selbst gestellte Herausforderung überzeugender gemeistert als in Berlin. Von hier aus kann,
von hier aus muss es gelingen, das durch Misstrauen und Besserwisserei einerseits, Arroganz und Beratungsresistenz andererseits arg ramponierte Vertrauensverhältnis wieder zu drehen
und zurückzuführen zu ehrlich partnerschaftlichen Beziehungen. Ein neuer Präsident und sein neuer Botschafter
eröffnen die Chance für eine Wiederbelebung spür- und erfahrbarer deutsch- amerikanischer Freundschaft.
Das heutige
Volksfest, zu dem der scheidende
Botschafter die Berliner lädt,
ist so ein Zeichen des guten Willens. Die Berliner werden es allen leider
noch immer notwendigen Sicherheitsvorkehrungen
zum Trotz zu schätzen wissen.
Niemand wird fortan erwarten, dass angesichts der terroristischen Bedrohungslage die neue Botschaft ein Haus
der offenen Türen sein wird.
Aber es gibt
Grenzen des Zumutbaren. Aus
einer gewissen Sicherheitshysterie heraus neigen die Amerikaner dazu, diese zu
überschreiten. Das schreckt
mehr als nötig ab. Absolute Sicherheit ist ohnehin illusorisch. Deshalb sollte der künftige Botschafter
bedenken, dass ein bisschen weniger
martialisches Gehabe rund um sein Haus
der gemeinsame Sache dienlich wäre.