Scientology will Macht in Deutschland

Von R. EICHINGER und J. GAUGELE

Hamburg – Das bekannteste Gesicht von Scientology ist Superstar Tom Cruise, einer der beliebtesten Schauspieler der Welt. Doch hinter der Hollywood-Fassade verbirgt sich nach Überzeugung der Sicherheitsbehörden eine gefährliche Sekte, die nach der Macht greift – auch in Deutschland.

„Scientology ist eine verfassungsfeindliche Organisation“, so Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegenüber BILD am SONNTAG. „Wesentliche Grund- und Menschenrechte wie die Menschenwürde oder das Recht auf Gleichbehandlung sollen eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt werden. Das demokratische System wird abgelehnt.“

Die dramatische Warnung des Innenministers: „Scientology arbeitet auch in Deutschland daran, politische Macht und Einfluss zu erringen.“

Der Verfassungsschutz zitiert in seinem aktuellen Bericht aus einem internen Papier der Sekte, das erschreckende Einblicke gewährt. „Berlin als die Hauptstadt Deutschlands ist die lebenswichtige Adresse bezüglich Scientology“, heißt es darin. „Um unsere planetarischen Rettungskampagnen in Anwendung zu bringen, müssen wir die obersten Ebenen der deutschen Regierung in Berlin erreichen.“

Die Organisation rüstet auf: Anfang des Jahres wurde die neue Zentrale in Berlin eingeweiht – ein Glaspalast mit 4000 Quadratmetern auf sechs Stockwerken. Auch in
Madrid, London und Brüssel wurden neue Zentren eröffnet.

Scientology wendet sich offen gegen die Demokratie in der EU. Nach Erkenntnissen deutscher Verfassungsbehörden wird Europa als „Viertes Reich“ und seine Vertreter als „Nazis“ bezeichnet, gegen die „Krieg“ zu führen sei. Sekten-Expertin und Buch-Autorin („Schwarzbuch Scientology“) Ursula Caberta: „Der
Kontinent soll endgültig erobert werden.“ In dem „Schwarzbuch“ werden die gefürchteten Scientology-Methoden beschrieben:

Gehirnwäsche: Neumitglieder werden massiv beeinflusst, ihren Familien entfremdet. Sie müssen die Ideologie der Sekte „nachbeten“. Bereits vierjährige Kinder werden „Reinigungsritualen“ unterzogen.

Ausbeutung: Für fragwürdige Psycho-Kurse müssen die Mitglieder tief in die Tasche greifen. Manche verlieren einen großen Teil ihres Vermögens an die Sekte.

Die Politik will jetzt den Druck auf Scientology massiv verstärken. Die Innenministerkonferenz leitete am Freitag die Prüfung eines Verbotsverfahrens ein.

Schäuble: „Das Wichtigste im Umgang mit Scientology ist Aufklärung und Prävention. Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern werden ihre aktuellen Erkenntnisse zusammenführen, um weitere Schritte zu prüfen.“

Wie der „Spiegel“ berichtet, sehen die Verfassungsschutzbehörden der Länder derzeit allerdings keine Chancen für ein Verbot der Sekte. Politiker äußerten sich am Wochenende ebenfalls skeptisch. „Ich habe Zweifel, dass man ausreichende Belege findet, um Scientology zu verbieten“, sagte der Chef des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), dem „Tagesspiegel“. Scientology sei zwar problematisch, lege aber „nicht so sehr die Axt an die demokratische Grundordnung“.

Die FDP hält ein Verbot für die falsche Strategie. Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Der Zeitgeist von Union und SPD setzt auf Verbote für alles und jeden. Union und SPD haben kein Vertrauen in die Klugheit der Bürgerinnen und Bürger.“